Das Wispern der Schatten - Roman
sah ihn.
Azuals abscheuliche Gestalt erhob sich und zeigte auf den Jungen hinunter. » Dort steht derjenige, der euch in den Tod getrieben hat! Seht da! Er steht hinter euch und bedroht euch mit seiner Magie, und ihr sucht Zuflucht auf meinem grünenden Hügel. Seht, wie er die ganze Landschaft im weiten Umkreis verwüstet hat, sodass ihr keine Freistatt anderswo finden könnt. Seht, wie er es darauf anlegt, euch diesen Hügel, den einzig sicheren Ort, überfluten zu lassen. Wendet euch gegen ihn! Erlaubt ihm nicht, euch den Tod aufzuzwingen. Nehmt Rache! Und der, der mir seinen Kopf bringt, soll einen Platz an meiner Seite in diesem beschaulichen Garten erhalten.«
Die wild blickende Meute drehte sich um wie ein Mann, um Jillan hungrig anzustarren. Alle begannen auf ihn zuzurennen. In dem Tumult wurden die Langsamen niedergetrampelt und auf dem Boden zerquetscht. Unglückliche wurden in Erdspalten gestoßen und stürzten schreiend in die dampfende Lava. Kinder und Säuglinge wurden in dem Chaos fallen gelassen, auf vom Feuer gehärteten Ästen aufgespießt oder auf Felsen zerschmettert.
» Nein! Bleibt zurück!«, flehte Jillan und wirbelte herum. Er rutschte aus und strauchelte auf den trügerischen Überresten dessen, was einst hier gelebt hatte. » Bitte!« Er rannte um sein Leben, doch er konnte nirgendwohin. Er schwang sich über einen umgestürzten Baumstamm und sprang mit gerade genug Schwung über einen klaffenden Abgrund, um sich davor zu bewahren, in die feurigen Tiefen zu stürzen. Ein alter Mann, der kaum mehr als ein wandelndes Skelett war, warf sich hinter Jillan über die Erdspalte, erreichte die andere Seite nicht ganz, hielt sich an der bröckelnden Kante fest und versuchte hektisch, sich hochzuziehen.
» Vergib mir!«, schluchzte Jillan und rannte weiter, während der Mann in das geschmolzene Gestein fiel.
Sie strömten um den kleinen Abgrund herum. Angst und Adrenalin erlaubten es Jillan, seine Geschwindigkeit noch einmal schlagartig zu steigern, und er gewann einen Vorsprung von einer Handvoll Schritten, aber bald begann er langsamer zu werden, während die wilde Horde keinen Moment lang nachließ. Hände packten seine Kleidung und zogen daran. Sie zerrten ihn zu Boden und griffen nach seinem Kopf, kämpften darum, Halt zu finden, um ihn von seinen Schultern zu reißen. Jillan biss kräftig in Finger, bis auf den Knochen, aber ihre wahnsinnigen Besitzer bemerkten es gar nicht. Sie stachen nach seinen Augen, rammten ihm scharfe Fingernägel in die Ohren, um ihm das Trommelfell zu durchstoßen, schlitzten ihm die Nasenlöcher auf und rissen ihm das Haar büschelweise aus.
Jillan hob den Kopf und spie geradezu sein ganzes Selbst durch den Mund aus. Er schrie und schrie.
Samnir hatte ihn bei den Schultern gepackt und schüttelte ihn heftig. Eine brennende Ohrfeige. » Ich bin hier, Jillan.«
» Er ist hier!«, schrie Jillan, von kaltem Schweiß überströmt.
Es kratzte an der Haustür, und sie erbebte, als Hände sie aufzureißen versuchten. Fußtritte und Schulterstöße erschütterten sie im Türrahmen. Man rief und heulte bestialisch nach Jillans Kopf. Es war kein Traum. Das Volk war gekommen, um ihn zu holen.
» Der Heilige ist hier!«
» Wie das?«, fragte Samnir in Panik, zog sein Schwert und wandte sich der Tür zu. » Er sollte doch eigentlich erst morgen kommen! Wir sind noch nicht bereit. Wir werden niedergemetzelt werden!«
Die Morgendämmerung nahte bereits, als die letzten stinkenden Heiden im Wirtshaus in betrunkener Bewusstlosigkeit versanken. Er schnarchte so laut wie die anderen, und eine Fliege kreiste träge über seinem offenen Mund.
Prediger Praxis schüttelte den Arm ab, den der Trunkenbold neben ihm freundschaftlich um seine Schultern gelegt hatte, und stieß das Gesicht des Kriegers von sich. Der Prediger kletterte über den Tisch, suchte sich einen Weg zwischen den schlafenden Leibern und leeren Flaschen hindurch und erreichte die Tür.
» Endlich! Diese Tiere werden bald aufgespießt und über den gierigen Flammen ihrer eigenen Verderbtheit gebraten werden. Schweine!«, sagte er voller Ekel.
Er trat in den ersten schwachen Lichtschein der Morgendämmerung hinaus und rannte dann Richtung Tor. In seiner Erregung bemerkte er den Schatten nicht, der ihm aus dem Wirtshaus nachschlich.
Der Prediger konnte sich nicht beherrschen. » Gebieter, ich komme, um Eure Befehle zu erfüllen! Gelobt sei dieser Augenblick, denn der Sonnenaufgang kündet vom Beginn eines neuen
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