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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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dich gar nicht mögen. So ist das nun mal. «
    Er zog Hände und Füße aus den Schlaufen – jämmerlich unbeholfen, wie er fand – und rappelte sich hoch.
    » Falls du hier bist, um mich zu überreden, dass ich dich mi t nehme – vergiss es! «
    Selbst im Kerzenschein war zu erkennen, wie sie vor Wut rot anlief. Ihre Nase wurde noch spitzer, ihre Lippen leuchtender. » Ich kann diese Maschinen fliegen. Du wirst dir alle Knochen brechen. «
    » Ach ja? Jetzt erzähl mir nicht, du hättest es je ausprobiert. «
    An ihrem Gesichtsausdruck sah er, dass er mit seiner Verm u tung richtig lag. » Ich habe geübt. Genauso wie du, hier auf dem Boden. Und nicht nur für ein paar Stunden, sondern jahrelang … immer wieder und wieder. «
    Sie träumt ebenso vom Erdboden wie ich!, durchfuhr es ihn jäh. Deshalb hatte sie dafür gesorgt, dass die Fluggeräte so gut in Schuss waren, alle Seile gespannt, alle Gelenke geölt. Großer Leonardo, sie hatte auf diesen Tag gewartet!
    » Hast du deshalb vor den anderen gesagt, dass ich zurückke h ren werde? «, fragte er. » Weil du genau gewusst hast, dass sie dich allein erst recht nicht gehen lassen würden? «
    Sie schien verärgert, dass er sie durchschaut hatte. » Ich glaube wirklich, dass du an diesen Tieren hängst. Aber was passiert, wenn deine Erinnerung an sie verblasst, unten auf dem Erdb o den? Jemand sollte bei dir sein und Acht geben. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass wir dic h s onst je wiedersehen. Dafür hasst du die Hohen Lüfte viel zu sehr. «
    » Würdest du denn freiwillig zurückkommen? « Die Gegenfr a ge sollte ihr den Wind aus den Segeln nehmen, doch Alessia wäre wohl nicht sie selbst gewesen, hätte sie sich davon beei n drucken lassen.
    » Ich trage Verantwortung. Ich bin die Tochter des Herzogs. «
    » Das ist keine Antwort auf meine Frage. «
    Sie wich seinem Blick aus. Eine Sekunde verging, vielleicht zwei. Dann sah sie ihn wieder an, trotzig wie eh und je. » Ich würde den Aether hierher bringen, allerdings. Und ich werde diese Menschen irgendwann einmal regieren. So ist das nun mal. Ich bin eine Medici, ob es mir Spaß macht oder nicht. « Aber vorher will ich den Erdboden sehen, las er in ihren goldenen Augen.
    » Sie haben nun mal mich ausgewählt «, sagte er mit einem Schulterzucken. Einen Moment lang bereitete es ihm beinahe Freude, sie verletzt zu sehen. » Ich werde alleine gehen, ganz egal, was du sagst. «
    Sie ballte die sommersprossigen Hände zu Fäusten und biss sich auf die Unterlippe, ehe sie aufgebracht fortfuhr:
    » Ich bin von hoher Geburt. Du bist ein Niemand. Das hier sollte meine Aufgabe sein! «
    » Dann «, sagte er genüsslich, » hättest du vielleicht die richt i gen Bücher lesen sollen. «
    Sie starrte ihn hasserfüllt an, wirbelte herum und rannte mit weiten Schritten die Treppe hinauf.
    Er blickte ihr nach, ihrem roten Haar, ihrem schmalen, ze r brechlichen Umriss. Geh zum Teufel, dachte er stur und wandte sich wieder seinen Übungen zu. Seine Wu t l ieß ihn die Schwi n gen noch heftiger auf und nieder schlagen.
    Bald darauf hob sich der Luftschlitten zum ersten Mal vom Boden.

    * * *
     
    E r schlief nur wenige Stunden. Dann dämmerte der Morgen, und mit ihm kam der Augenblick des Aufbruchs. Niccolo hatte längst aufgehört nach Antworten zu suchen, die ihm niemand geben konnte, am wenigsten er selbst.
    Herzog Jacopo, der Schattendeuter und der Zeitwindpriester sahen zu, wie er einen prallen Beutel mit Silberstücken in seinem Rucksack verstaute. Außerdem waren da Vorräte für eine Woche, wenn auch nur wenig Wasser, weil man von den Wolken aus einen großen Fluss im Osten sehen konnte – ein gewaltiges Naturschauspiel für jemanden, der nur die schmalen Rinnsale und Teiche der Wolkeninsel kannte.
    Bei Niccolos Suche nach den Drachen war eine Himmelsric h tung so gut wie jede andere. Der Schattendeuter hatte behauptet, jeder in China verehre die Drachen. Gewiss sei es kein Problem, sich in einer beliebigen Ortschaft nach dem nächstbesten Exemplar zu erkundigen. Für Niccolo klang das so, als grasten die Drachen auf den chinesischen Weiden wie Rinder. Ihm konnte das nur recht sein.
    Einer der Luftschlitten wurde ans obere Ende der Rampe geschoben. Mit Hilfe eines Seilzugs öffnete der Herzog das Gitter im Boden. Niccolo schloss die Pedalengurte u m s eine Füße, legte sich flach auf den Bauch und schob seine Hände in die Schlaufen der Schwingen. Der Rucksack war auf seinem Rücken verschnürt; mit seinem

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