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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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jetzt halb auf ihm. Sie hatte den Stock nun kurz unter der Spitze gefasst und presste sie hart gegen seine Hal s schlagader.
    » Warum? «, fragte sie erneut.
    » Aether «, brachte er verbissen hervor.
    » Was ist das? «
    Erstmals wurde ihm klar, wirklich klar, dass sie ihn umbringen wollte. Das hier war kein Spiel.
    » Drachenatem «, sagte er. » Sie atmen Aether aus. Ich will welchen einfangen und mitnehmen. «
    » Ihren Atem? « , vergewisserte sie sich.
    » Das sag ich doch. «
    Das nadelspitze Holz an seinem Hals löste sich nicht, aber sie stemmte ihren Oberkörper ein wenig höher, damit er besser Luft holen konnte.
    » Du bist kein Drachenjäger? «
    » Sehe ich aus, als wollte ich Drachen jagen? Ich hab nicht mal ein Schwert oder eine Lanze. « In den alten Geschichten hatten Drachentöter immer Schwert oder Lanze dabei, und er hoffte, dass ihr das einleuchtete.
    » Yaozi hat davon gesprochen, dass es Menschen gibt, die viel Silber und Gold für den Kopf eines Drachen bezahlen. « Ihr Gesicht ruckte wieder näher an seines. » Du hast Silber. W o her? «
    » Von zu Hause mitgebracht. « Er konnte sie jetzt riechen, und das war nicht sehr angenehm. Sie stank nach Wald und Schmutz und Schweiß. So hatte er sich immer den Geruch eines wilden Tiers vorgestellt.
    Sie legte den Kopf leicht schräg und schien ihn eingehend zu betrachten. » Du hast Augen wie ein Drache. «
    » Kannst du etwa im Dunkeln sehen? «
    » Nein. Aber du solltest es können. Drachen jedenfalls können es. «
    » Dass meine Augen aussehen wie die von Drachen ist nur … ein Zufall. « Das war lahm, und er wusste es.
    » Sie sind nicht nur golden, sie sind rund « , konterte sie. » G e nau wie die von Drachen. «
    » Wo ich herkomme, hat niemand Mandelaugen. «
    Wieder neigte sie den Kopf. » Mandelaugen? «
    » So schmale Augen wie du. Wie alle Chinesen. «
    Von den Lagerfeuern wehte Gelächter herüber, als der Wäc h ter zu seinen Kameraden zurückkehrte.
    » Lass mich los! «, verlangte Niccolo.
    » Du stellst dich ungeschickt an. Du wirst uns verraten. «
    » Nicht wenn wir aufhören, miteinander zu streiten. « Er deutete auf die Spitze an seinem Hals. » Hast du überhaupt schon mal jemanden umgebracht? «
    » Viele Male! «, behauptete sie, aber irgendwie klang es nicht so überzeugend wie bei Wisperwind.
    » Lass mich los, und wir können zusammen nachsehen, was für einen Drachen diese Leute im Wagen verstecken. « Nach kurzem Überlegen fügte er hinzu: » Falls es das ist, was du willst. «
    Sie zog sich ebenso schnell von ihm zurück, wie sie über ihn hergefallen war. Ihre Bewegungen waren ein einziges Gleiten, schnell wie Wisperwinds Kampftanz mit den Raunen, zugleich aber natürlicher, fließender. Nichts daran wirkte einstudiert. Für sie schien das etwas ganz Normales zu sein. Allmählich dä m merte ihm, wie sie unter den Wagen gelangt war, obwohl er die ganze Zeit hingesehen hatte; wahrscheinlich konnte sie sich flink und flach durchs Gras winden wie eine Schlange.
    Sie deutete auf den Boden des Wagens über ihnen. » Wenn da ein Drache drin ist, dann ist er tot. Sonst würde ich irgendwas hören. «
    » Der alte Mann im Teehaus hat behauptet, die Gaukler hätten ihn vor Jahren eingefangen und führen ihn nun den Leuten vor. Er macht Kunststücke und so ’ n Zeug. «
    Angewidert spie sie ins Gras. » Kein Drache macht Kunstst ü cke. «
    » Der hier offenbar schon. «
    » Ein Drache erniedrigt sich nicht. Schon gar nicht zum Ve r gnügen einfacher Menschen. Lieber stirbt er. «
    » Du kennst dich aus mit Drachen, was? «
    » Natürlic h «, entgegnete sie kühl.
    » Und nun? « Sein Blick suchte hinter hohem Gras und Wage n rädern die Feuer der Gaukler.
    Sie gab keine Antwort.
    Als er sich umschaute, war sie lautlos unter dem Wagen hervorgeglitten und beachtete ihn schon gar nicht mehr.
    » Ich schlage vor, wir schauen nac h «, flüsterte er zu sich selbst und folgte ihr mit einem Seufzen.
    * * *
    » Zu dunke l «, murmelte Niccolo, als er hinter ihr im Eingang des Wagens stehen blieb. » Und es stinkt. «
    » Drachen riechen ander s «, behauptete sie.
    Das Schloss an der Tür aufzubrechen war nicht schwierig gewesen. Offenbar war es nicht dazu gedacht, Eindringlinge fern zu halten, sondern diente vielmehr dazu, etwas in dem Wagen einzusperren.
    » Ohne Licht sollten wir da nicht reingehen. «
    Sie gab keine Antwort und tauchte in die Finsternis, nur mit dem angespitzten Stock bewaffnet. Sie war mutig. Oder noch

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