Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert
blickten auf seinen kahlen Hinterkopf.
Niccolos Hand schloss sich um seinen Messergriff. » Vielleicht ist er tot? «
Feiqing fuhr ungehalten herum. » Das würde dir so pa s sen! « Lautstark trampelte er an Nugua vorbei und schob unterwegs mit seinem breiten Drachenleib ein Dutzend Stühle beiseite.
Er hatte den Tisch des Mönchs fast erreicht, als die Tür zur Küche aufflog. In Niccolos Rücken wurde von außen die Eingangstür aufgestoßen. Auch über der Balustrade erschienen Gestalten, fünf, sechs, vielleicht noch weitere in den Schatten.
Der vermeintliche Mönch hob den Kopf. Mit einer Hand wischte er die Krüge und den Becher auf seinem Tisch beiseite, mit der anderen wuchtete er einen kindsgroßen Streitkolben auf die Tischplatte.
Feiqing räusperte sich. » Wir suchen spirituellen Beistand. «
» Und findet doch nur den To d «, erwiderte der Mann. » Es sei denn, ihr habt Silber dabei. Dann lassen wir die Kleine ein wenig länger am Leben. «
Die Männer, die hinter Niccolo durch den Eingang traten, grinsten hämisch. Auch von der Balustrade erklang Gelächter. Mindestens zwölf zerlumpte Gestalten. Die meisten Männer trugen Schwerter oder lange Messer, einige auch Keulen mit Nägeln und Stacheln, einer gar einen Dreizack. Ihre Kleidung war schmutzig und voller Löcher. Nur der vermeintliche Mönch trug eine orangefarbene Tracht, die ihn selbst jetzt, mit dem Streitkolben in der Hand, sonderbar friedfertig aussehen ließ. Nicht einmal die Worte, die er sprach, konnten etwas an diesem äußeren Eindruck ändern.
» Wenn ihr euch wehrt, sterbt ihr langsa m «, sagte er. » Gebt ihr uns dagegen aus freien Stücken alles, was ih r b ei euch tragt, verspreche ich euch einen schmerzlosen Tod. «
Bislang hatte keiner der drei ein Wort herausgebracht. Feiqing stand noch immer auf halbem Weg zu dem Mann inmitten eines Gewirrs aus umgekippten Stühlen. Niccolo hatte sein Messer gezogen, wusste aber selbst, dass er damit nicht das Geringste ausrichten würde, um den Mandschubogen zu spannen, blieb keine Zeit.
Nugua federte breitbeinig in eine Kampfhaltung. Sie hielt ihren angespitzten Stock wie eine Lanze und schien in alle Richtungen gleichzeitig zu blicken.
Von der Tür her ertönte ein Brüllen. Niccolo wirbelte erschr o cken herum, genau wie Nugua.
Ein Mann wurde ihnen entgegengeschleudert. Schreiend segelte er durch den Schankraum, Kopf und Schultern zuerst, krachte unter Getöse auf einen Tisch und brach sich spätestens beim Aufprall auf der Kante mehrere Knochen.
Ein zweiter folgte ihm, verfehlte Nugua nur um eine Armlänge und kam in einem scheppernden Chaos aus zerbrochenen Stühlen und Tischbeinen zum Liegen.
Der falsche Mönch, der offensichtlich Hauptmann der Räube r bande war, brüllte Befehle in einem chinesischen Dialekt, den Niccolo nicht verstand. Zwei Räuber schwangen sich tollkühn über die Balustrade in die Tiefe, die übrigen stürmten die Treppe hinunter. Auch die Männer an der Küchentür kamen heran, während jene am Eingang sich nach außen hin umgewandt hatten und einer nach dem anderen in einem Wirbel aus Armen und Beinen zu Boden gingen.
Eine massige Gestalt drängte durch den Pulk herein , rammte Gegner nach rechts und links zur Seite, brüllte mit donnernder Stimme Beschimpfungen, jubelte ausgelassen, wenn ein Feind zusammenbrach, und stieß dann und wann Kriegsrufe aus, die Niccolo das Blut in den Adern gefrieren ließen.
Plötzlich fegte der Räuberhauptmann in der Mönchstracht an Niccolo vorbei. Mit weiten Sätzen sprang er über die Tische, ohne den Boden zu berühren, stieß ein schreckliches Brüllen aus und stürzte sich mitten in die Menge.
Feiqing rief den anderen zu, dass sie vom Eingang fortko m men sollten, aber Niccolo blieb stehen, gebannt vom Anblick des Chaos, das nur wenige Meter vor ihm ausbrach. Nugua packte ihn am Arm und zog ihn mit sich. Beide stolperten rückwärts, um den Blick nicht von dem Getümmel abwenden zu müssen.
Feiqing brüllte eine Warnung – zu spät. Eine Männerhand griff in Nuguas Haar und zerrte daran. Auf den entsetzten Niccolo raste eine breite Schwertklinge nieder und schlug den Ma n dschubogen auf seinem Rücken entzwei. Gleich darauf wusste er selbst nicht mehr recht, wie er dem Hieb entgangen war. Halb fallend, halb springend taumelte er zur Seite, stieß sein Messer ins Leere, packte mit der anderen Hand einen Schemel und schleuderte ihn über Nugua hinweg ins Gesicht des Räubers. Der wurde zurückgeworfen und
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