Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert
verbliebenen Wegelagerer aus dem Halbkreis gegen ihn vor. Er schmetterte ihnen erst sein Gelächter, dann einen Schwung seiner Lanze entgegen. Einer der Männer wurde getroffen und verschwand hinter den reglosen Körpern seiner Kameraden. Den zweiten Räuber streifte die Klinge nur, er ließ seine Waffe fallen, hielt sich die Wunde am Arm und wich wimmernd zurück.
Zugleich setzte der Hauptmann zu einer neuen Attacke an. Diesmal ließ er sich mehr Zeit und verließ sich eher auf sein Geschick als auf rohe Kraft. Er täuschte einen Hieb an, machte eine Drehung zur Seite, tauchte unter einem Lanzenstoß hinweg und prellte den Streitkolben gerade nach vorn. Es war kein tödlicher Stoß, aber er tra f s einen Gegner genau vor die ung e heure Bauchwölbung. Dem Lanzenschwinger ging für einen Moment die Luft aus, er stolperte einen Schritt zurück – und blieb dann breitbeinig stehen, presste die fassförmige Brust heraus und stieß ein so Furcht einflößendes Brüllen aus, dass selbst Nugua einen entsetzten Laut von sich gab.
» Du willst es nicht ander s «, rief der Fremde, packte die Lanze mittig mit einer Hand und ließ sie rotieren, erst waagerecht über seinem kahlen Schädel, dann hochkant vor seinem Körper.
Die Räuber wichen zurück, selbst das Gesicht des Hauptmanns verzog sich. Er warf sich herum und wollte fliehen. Aber er hatte kaum einen halben Schritt gemacht, als ihn die Waffe traf. Niccolo wandte den Blick ab. Nugua hielt sich an einer Tisc h kante fest. Feiqing fiel polternd nach hinten in die Küche, wo er mit strampelnden Armen und Beinen liegen blieb und lautstark den Entschluss beklagte, jemals dieses Haus betreten zu haben.
Die beiden übrigen Räuber ließen ihre Schwerter fallen. Einer lief in Panik auf Niccolo und die anderen zu, drängte sich an ihnen vorbei und setzte über Feiqing hinweg. In der Küche hörten sie eine weitere Tür schlagen, als er sein Heil in der Flucht suchte. Der letzte Mann fiel auf die Knie, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und bat unter Tränen um Gnade.
Der Fremde ließ die Lanze sinken und gab dem Räuber einen Wink. » Verschwinde! Und nimm alle mit, die noch laufen können! «
Augenblicke später war der Räuber verschwunden, drei hi n kende und wehklagende Kameraden im Schlepptau. Kein anderer regte sich mehr.
Nugua hob mit bebender Hand das Langmesser. Niccolo versuchte, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen. Feiqing lag noch immer auf dem Rücken und lamentierte, dass nun doch endlich jemand kommen und ihm gefälligst aufhelfen solle.
Der Mann mit dem absurd breiten Körperbau stieg über lebl o se Räuber hinweg, schaute sich im Schankraum um und blieb einige Schritte vor Niccolo und Nugua stehen. Abermals hellte ein Lachen seine Züge auf, schuf Grübchen in seinen Wangen so breit wie Mauselöcher. Seine Mandelaugen verengten sich, die buschigen Brauen rückten zusammen und bildeten einen schwarzen Balken. Er stampfte die Lanze mit dem stumpfen Ende auf den Boden, so heftig, dass die gesamte Einrichtung der Schankstube erzitterte und irgendwo ein Schemel umfiel.
» Und ihr seid? «, fragte er mit dröhnender Bassstimme.
» Reisend e «, brachte Niccolo heiser hervor. » Diese Männer … sie wollten uns ausrauben. «
Mit einem wissenden Grinsen presste der Mann die Lippen aufeinander, ging auf den Tisch des falschen Mönchs zu und hob einen umgestürzten Krug vom Boden.
» Noch was dri n «, murmelte er und trank den Rest mit gl u ckernden Schlucken aus. » Aah h «, machte er danach zufrieden, stellte den Krug auf dem Tisch ab und sah wieder zu den dreien herüber. » Gibt ’ s in der Küche noch was zu essen? «
Niccolo schaute fahrig über die Schulter. » Wir haben noch nicht nachgesehen. «
Der Mann nickte wieder. » Ich bin Li. «
Niccolo deutete eine Verbeugung an. » Wir sind Euch zu Dank verpflichtet. «
Li wandte sich an Nugua. » Wen wolltest du denn mit deinem Stock aufspießen? « Er hob eine Augenbraue. » Eure Verfolger? «
» Welche Verfolger? «, fragte Nugua so misstrauisch wie eh und je.
» Mandschu. «
Feiqing quengelte noch lauter. » Würde mir bitte jemand hoc h helfen! «
Niccolo nickte dem Fremden entschuldigend zu, dann eilte er zum Rattendrachen und zog ihn ächzend auf die Beine.
» Wie kommst du darauf, dass uns Mandschu verfo l gen? « Nugua hatte jetzt wieder die kampfbereite Haltung eingeno m men.
» Sie fragen überall nach euc h «, erklärte Li. » Und da mir keine andere Gruppe von
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