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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Mondkind empfunden hatte.
    Es war das Gefühl, das Richtige zu tun. Keine Selbstzweifel mehr, kein Hinterfragen der großen Zusammenhänge. Ganz klar sah er es vor sich. Was er getan hatte, was er noch tun würde – alles war richtig, war nicht länger Verrat oder Enttäuschung oder Grund zum Verzweifeln. In diesem einen Augenblick erfüllte ihn die Gewissheit, dass er niemals falsch gehandelt hatte.
    Vorhin, als er dem Licht entkommen war, da hatte ihn Erleic h terung erfüllt. Doch das war nichts im Vergleich zu der Euphorie, die jetzt über ihn hinwegrollte, ihn vereinnahmte und fühlen ließ, wie großartig er war, wie gerecht sein Handeln, wie zutreffend jede seiner Entscheidungen.
    Etwas packte ihn von hinten.
    Eine Hand krallte sich in seine Kleidung, eine andere brutal in sein Haar. Dann wurde er zurückgezerrt, hinau s a us dem Lichtstrahl. Er verlor den Boden unter den Füßen, segelte mit einem Aufschrei durch die Luft, konnte vor lauter Sand nicht mehr atmen und prallte mit dem Kinn zuerst in den Hang einer Düne. Schlagartig war da nur noch Sand um ihn, so als hätte man ihn mit dem Gesicht voran in die Wüste gerammt, und einen Augenblick lang glaubte er das tatsächlich, fühlte sich gelähmt, lebendig begraben, dazu verdammt, in dieser Düne zu sterben, eingeschlossen in einem Ozean aus Treibsand.
    Abermals packten ihn Hände. Er wurde herumgerollt, lag plötzlich auf dem Rücken und schlug mit den Fäusten um sich, traf auf Widerstand und bekam im Gegenzug eine schallende Ohrfeige. Schallend, weil der Sandsturm abrupt vorüber war und das Geräusch des Schlages über die Dünen hallte, als wäre es der erste Laut, der überhaupt jemals in der Leere der Taklam a kan ertönt war.
    » Verdammter Narr! «, schrie ihm eine Stimme ins Gesicht, so nah, dass er fremden Atem riechen konnte und das Gefühl hatte, in nichts als einen gewaltigen Schlund zu blicken, weit und schwarz wie der Himmel.
    » Du dummer, kindischer, selbstgerechter Narr! «
    Niccolo hörte auf, nach dem anderen zu schlagen und rieb sich stattdessen die Augen. Sie waren noch immer voller Sand, und er sah das Gesicht nur verschwommen, das da über ihm schwe b te. Es hätte der menschgewordene Aether sein können, und selbst dann hätte es ihm kaum einen größeren Schrecken einjagen können.
    Auf den Schrecken folgte das abrupte, schmerzhafte Gefühl, einen Fehler begangen zu haben.
    » Guo Lao? « Nur ein Krächzen. Seine Kehle fühlte sich an wie das Innere einer Sanduhr.
    » Hoch mit dir! « Er fühlte sich auf die Beine gezogen, drohte erneut in die Knie zu brechen und baumelte plötzlich an der Pranke des Unsterblichen wie eine Marionette an der Hand ihres Puppenspielers. » Reiß dich zusammen! Du kannst stehen, wenn du nur willst. «
    Seine Füße berührten wieder den Boden, und ja, der Xian hatte Recht. Das Stehen klappte auf einmal erstaunlich gut, und auch sein Schädel brummte schon nicht mehr gar so schlimm wie zuvor.
    Mit dem Ende des Sandsturms waren auch die Lichtsäulen unsichtbar geworden. Wo sie gestanden hatten, leuchteten jetzt helle Flecken wie Pfützen aus Mondschein auf den Dünen; sie verrieten, dass das Licht nach wie vor da war, dass es unverä n dert über der Wüste stand und durch die Wunden im Schalenleib des Aethers sickerte, so als wäre es sein Blut, das hinab zur Erde troff. Nur in der Luft waren die Lichtstrahlen unsichtbar geworden, solange es keine Sandwirbel mehr gab, die sie reflektierten.
    » Das war ich «, dröhnte die Stimme des Unsterblichen. » Der Sandsturm und so weiter. Konnte ja nicht ahnen, was für ein Dummkopf du bist. «
    Jetzt erst drang die Anwesenheit des Xian vollends zu Niccolo durch. Vorher war er wie eine unheilvolle Präsenz gewesen, eine Macht, die sich nicht greifen ließ. Nun aber schien er schlagartig zu den Proportionen eines Menschen zusammenzuschrumpfen, obwohl er doch die ganze Zeit neben Niccolo gestanden hatte, eigentlich unübersehbar.
    Es war nicht Niccolos erste Begegnung mit Guo Lao, und er sah dem Unsterblichen an, dass auch er genau wusste, wen er da vor sich hatte.
    Guo Lao hatte mit Mondkind gekämpft, damals, vor einer Million Wochen in den Wäldern von Sichuan. Niccolo, Nugua und Feiqing waren dazugekommen, als Mondkind zu unterli e gen drohte. Sie hatte Niccolos Chi angezapft und dadurch genug Kraft gewonnen, um den Xian in die Flucht zu schlagen.
    » Du bist es «, sagte Guo Lao grimmig. » Dachte ich ’ s mir. «
    Der Unsterbliche war von ebenso

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