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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Mädchen, von dem ich sprach, Hand an sich gelegt hat.« Er lief zornesrot an. »Eine Sünde ist’s, so sehr wie ein Mord eine Sünde ist, und es läßt mir keine Ruh’!« Plötzlich fiel ein Schatten auf den Tisch und Auster blickte auf. »Ihr wünscht, ehrwürdiger Vater?«
    Der alte Mönch hatte offensichtlich etwas Unerfreuliches mitzuteilen und suchte nach den passenden Worten. Bruder Auster saß mit gefalteten Händen, wie es die Regel verlangte, und bekämpfte seine wachsende Ungeduld. Der Abt sprach nur kurz mit ihm und bestieg dann das Pult am Ende des Refektoriums. »Bruder Auster ist heute dazu ausersehen worden, in seine Heimat, die Hellers, zurückzukehren, um dort die Botschaft des heiligen Lastenträgers zu verbreiten. Nehmt Ihr diesen Auftrag an, Bruder Auster?«
    Auster, der bereits vorgewarnt worden war, erhob sich. Seine blauen Augen blitzten auf. »Jawohl, ich nehme den Auftrag an. Es ist mir eine Ehre«, erklärte er feierlich und nahm wieder Platz.
    Der junge Adlige war empört. »Die Hellers! Aber, aber das ist … eine Strafexpedition! Und du hast doch nur die Wahrheit gesagt. Ich könnte auch einige Dinge erzählen, von meiner eigenen Familie!«
    Auster biß sich auf die Lippen. »Laß es gut sein, Varzil. Du mußt nicht meinen, ich wüßte nicht ganz genau, warum sie mich in die Berge schicken. Sie wollen keine Scherereien, aus Angst vor dem Hali’myn. Aber du brauchst dir keine Sorgen machen. Ich gehe freiwillig.«
    Varzils bekümmerte Miene hellte sich voller Bewunderung auf. »Ich verstehe. Welch eine wunderbare Bewährungsprobe für deinen Glauben, Bruder Auster!«
    »Schon möglich«, gab er kurz angebunden zurück. Er mußte an sich halten, das schwärmerische Gefasel des Jungen nicht mit einemgezielten Faustschlag zu beenden. Schon wieder dieser Mangel an Nächstenliebe! Auster war sich seiner eigenen Schwächen nur allzu sehr bewußt, und gerade einem armen Sünder wie ihm hätte etwas mehr Nachsicht gut angestanden. Denn auch er hatte sich zu Hause mit den anderen Jungs geprügelt, hatte gehurt und gesoffen und mit seinen Brüdern anderen Pächtern das Vieh von der Weide getrieben. Und die Versuchung dazu war noch immer vorhanden!
    Dann stiegen andere Bilder vor seinem geistigen Auge auf: seine Verlobte, von ihrem Vater als Konkubine an einen Comyn-Lord verschachert; der Leichnam seiner Schwester, den sie in der kargen Bergerde vergruben; das abscheuliche, pelzige Geschöpf, das die Nachricht ihres Todes überbracht hatte; das Gesicht seines Vaters, das ebenso versteinert war wie der Boden, den er bewirtschaftete; die verhärmten und resignierten Züge seiner Mutter.
    Dorthin würde er zurückkehren, in die Hellers, zu seinen eigenen Leuten, so wie es diese winselnden Feiglinge von ihm verlangten. Er würde keinen bewaffneten Aufruhr predigen, aber er würde ihnen klar und deutlich sagen, daß es nur einen Gott gab, dem die Taten der Comyn-Lords ein Greuel war. Die Männer der Hellers waren gewohnt, ihren Verstand zu gebrauchen und selbständig zu denken; sie würden sich für die gerechte Sache erheben.
    »Wenn ich alt genug bin«, erklärte der junge Ridenow ungeduldig, »werde ich den ehrwürdigen Vater bitten, daß ich dir folgen darf.«
    Auster schüttelte den Kopf. »Eher legen die Hundert Königreiche die Waffen nieder und schließen Frieden«, zitierte er unbewußt den Novizenmeister, »und die Comyn-Lords wandeln auf dem Pfad der Gerechtigkeit. Dort soll deine Aufgabe liegen, wenn du dich daran machen willst.«
    »Wenn das jemand vollbringen könnte«, meinte Varzil voller Zweifel, »ich würde es gewiß für ein Wunder halten.«
    Auster sah ihn durchdringend an. »Ja, glaubst du denn nicht an Wunder?«
     
    Die blutrote Sonne schien auf das winzige Bergdorf, das ein müder Bruder Auster auf seinem Maultier erreichte. Ein Junge stahl sich gerade mit Früchten beladen aus einem Eismelonenfeld, worüber der Mönch ungewollt lachen mußte. Ja, so waren seine Leute – rauhe Sitten in einem rauhen Land, und bestimmt keine Herde, die einfach zu hüten war!
    In Dead Man’s Crossing hatte einer der Bauern ein Faß mit schwarzgebranntem Schnaps aufgemacht und allen Vorbeikommenden so freigebig ausgeschenkt, daß Auster einer Gemeinde predigte, die eher einem betrunkenen Haufen beim Mittwinterfest glich. Am Crooked Creek hatte sich jemand mit einer Kutte verkleidet und die Nacht bei einer drallen Witwe verbracht, um dann am nächsten Morgen das Gerücht in die Welt zu setzen,

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