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Das Wuestenhaus

Titel: Das Wuestenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Wolfram
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Telefon aus seiner Innentasche, ließ das Display aufleuchten und tippte eine Nachricht an Maja, ohne sie abzuschicken. Dann löschte er die eingegebenen Buchstaben wieder, Wort für Wort. Maria hatte recht, er brauchte dringend ein paar freie Tage.

8
    Wiedersehen
    Die Tür zum Treppenhaus stand offen. Im Hof hatte jemand Kerzen in Weinflaschen gestellt. Er suchte auf der Klingelleiste nach Majas Nachnamen. Wann war er das letzte Mal in Freiburg gewesen? Das war schon Jahre her, die Konferenz der deutschen Reisejournalisten hatte hier getagt und er hatte einen Vortrag über das »Schreiben entlang von Grenzen« gehalten. Damals hatte er kaum etwas von der Stadt gesehen. Er war gleich nach dem Vortrag ins Hotel gegangen, weil er in der stickigen Luft des überfüllten Konferenzsaals müde geworden war.
    Er stieg die Treppe hoch.
    Im ersten Stock konnte man durch ein hohes, mit grünen Mosaiken verziertes Fenster in den Hof sehen. Er blieb einen Augenblick stehen. Das Licht drang in warmen Dämmerfarben hindurch. Die Scheiben des Ladengeschäfts der beiden Schwestern waren zu erkennen, dahinter die ausgestellten Kleider auf den Modellkörpern ohne Kopf. Ob eines davon Maja angefertigt hatte?

    Er blickte in den Hof hinunter. Vor den Glastüren des Ateliers standen Pflanzenkübel und zwei mit Bast bespannte Stühle, der runde Tisch mit den Weinflaschen, einige herabgefallene Blätter, die sich reglos am Boden sammelten und etwas Statisches ausstrahlten, wie auf den alten Fotografien Josef Sudeks.
    Er blickte auf die Uhr. Es war kurz vor acht. Um diese Zeit verließ er normalerweise die Redaktion.
    Er erreichte den dritten Stock.
    Das elektronische Klingelsignal ertönte.
    Maja öffnete die Tür.
    Sie trug ein weißes Hemd und Jeans. Sie musste gerade aus dem Bad gekommen sein, denn ihre kurzen braunen Haare waren noch nass. Die schwarzen, nachgezogenen Linien über den Augen waren verschwunden, ihre Haut war leicht gebräunt. Er hatte den Eindruck, sie war nicht so überrascht, ihn zu sehen, wie sie vorgab.
    »Du? Warum hast du vorher nicht angerufen?«
    »Ich wollte unbedingt vorbeikommen. Ich war mir nicht sicher, ob ich mit einer Ankündigung eine Chance gehabt hätte.«
    Sie versuchte zu lächeln. »Wahrscheinlich nicht.«
    »Lässt du mich einen Moment reinkommen?«
    Sie nickte und ging in den Flur. »Woher hast du die Adresse? Mein Name ist nirgendwo eingetragen.«
    »Es ist nicht so schwer, die exklusiven Modeateliers in der Stadt ausfindig zu machen. Zu irgendetwas muss mein Beruf ja gut sein. Bist du allein?«

    »Ja, Hannah und Sonja sind gerade in Dänemark. Ich konnte nicht mitfahren. Ich muss bis Ende September meine Entwürfe fertiggestellt haben.«
    Er sah sich um. Im Flur hing ein Plakat mit dem zu Boden blickenden Gesicht Tracy Chapmans. Am Ende des Flurs stand ein Tisch mit einer großen Vase, in der, wie in einem japanischen Teeraum, lange Zweige steckten. Der Flur glich einem Schlauch, von dem links und rechts mehrere Zimmer abzweigten. Maja ging in die Küche. Auf dem Klapptisch am Fenster lag ein aufgeschlagenes Notizbuch mit Zeichnungen, daneben standen eine rote Tasse und eine italienische Kaffeemaschine auf einer Eisenplatte.
    »Möchtest du Kaffee?«
    »Ja. Gern.«
    Maja hielt kurz inne, während sie eine neue Tasse aus dem Schrank holte. »Du siehst müde aus.«
    »Mir geht es gut.«
    »Bist du schon lange da?«
    »Nur ein paar Stunden. Ich bin spät angekommen. Die ganze Reise war eine, sagen wir, ziemlich spontane Idee.« Er sah auf den Tisch mit dem Notizbuch.
    »Und das hier, sind das deine Entwürfe?«
    »Nur ein paar Kritzeleien. Nichts Besonderes.«
    »Deine Katzenköpfe. Sie sehen freundlicher aus, als ich sie mir vorgestellt hatte.«Er nahm die Tasse mit dem Kaffee entgegen.
    Maja lehnte sich an den Herd.
    Sie schien über etwas nachzudenken. In den gegenüberliegenden Fenstern brannte noch kein Licht. Es
war eine Veränderung in ihrem Verhalten eingetreten. Sie war ohne Angst, ohne diese nervöse Verachtung für ihn, die er in dem Café gespürt hatte.
    »Hast du über den Prozess gelesen? Nächste Woche werden sie mit den ersten Vorbereitungen beginnen. Sie eröffnen das Verfahren im Januar. Es heißt, es wird ziemlich sicher zu einer Verurteilung kommen.«
    »Bernhard hat mir davon erzählt. Er meint, es wird wahrscheinlich ein langer Indizienprozess werden. Sie leugnen alles, und es gibt kaum stichhaltige Beweise, dass einer von den Männern den Auftrag gegeben

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