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Das Wuestenhaus

Titel: Das Wuestenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Wolfram
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Schwarz.«
    »Hast du noch die von Fairouz?«
    Er bereute sofort, dass er das gefragt hatte, doch Maja tat so, als habe es mit dieser Platte keine besondere Bewandtnis.
    »Sie steckt in irgendeiner der Kisten.«
    Sie griff nach ihren Zigaretten, stand schnell auf und ging auf den Balkon. Er hatte das Gefühl, sie zweifelte nun vielleicht doch, ob es richtig war, sich mit ihm über Dinge zu unterhalten, die ihr etwas bedeuteten.

    Neben dem Schreibtisch entdeckte er einen kleinen Schrank mit einem Foto ihrer Eltern - die beiden hielten den Kopf aneinandergelehnt, dahinter waren einige Bäume zu sehen. Sie waren auf dem Bild sehr viel jünger, als er sie in Erinnerung hatte. Daneben lagen einige Steine aus der Sammlung des Vaters und die beschädigte Christusfigur.
    Maja stand draußen auf dem Balkon. Es wurde langsam dunkel. Man hörte aus der Tiefe des Hofes Radioklänge. Er trat hinaus auf den Balkon und lehnte sich auf die Brüstung.
    Maja gab ihm eine von ihren Zigaretten.
    Einige Aschepartikel fielen von der glühenden Zigarettenspitze ab und trudelten auseinanderstiebend in die Tiefe. Er hatte das Gefühl, neben ihr stehend, wieder zurückzufallen in eine andere, längst vergangene Zeit. Der Ort spielte plötzlich keine Rolle mehr, war austauschbar wie eine verschiebbare Kulisse. Maja sah ihn an.
    »Warum bist du wirklich hierhergekommen?«
    »Es ist komisch, in der Nacht, als ich nach Paris gefahren bin, habe ich im Zug von dem weißen Haus auf der Insel geträumt und von euch. Es war ganz still auf dem Vorplatz. Jemand ist von einem Gerüst heruntergestiegen und hat gerufen: ›Vorsicht bei den Stufen.‹ Weißt du, was sonderbar war? In diesem Traum habe ich deine Eltern zum ersten Mal wieder klar vor mir gesehen, so als würden sie wirklich vor mir stehen …«
    »Ja, aber das ist nur ein Traum.«

    »Weißt du, Maja, ich frage mich, was passiert wäre, wenn ich damals in ein anderes Hotel gegangen wäre, was ich ursprünglich vorhatte. Wenn ich am ersten Tag nicht am Morgen mit dem Ägypter zu der Synagoge gefahren wäre oder … Es ist nutzlos, solche Dinge zu denken.«
    Sie drehte sich zu ihm um.
    »Nein, das ist es nicht, ich weiß nur, ich war glücklich damals, eine kurze Zeit lang, meinen Eltern ging es besser, ich habe dich kennengelernt - und dann war plötzlich alles vorbei, und ich habe angefangen wie mein Vater irgendwelche Hefte vollzuschreiben. Ich wollte, dass jemand, dass du das siehst. Ich wollte dich zwingen, dich an dasselbe zu erinnern wie ich. Aber das ist Blödsinn!«
    Er drückte die Zigarette auf dem Geländer aus, legte seine Hand auf ihren Handrücken und blickte in den Hof. Er spürte, wie ihre Fingerknöchel sich leicht anhoben. Maja wartete einen Augenblick. Als sie sich umdrehen wollte, hielt er sie vorsichtig am Arm fest. Mit den Fingerspitzen fuhr er langsam über ihre Schläfe und berührte ihre Haare. »Du hast immer noch dieses Trotzige in dir.«
    »Und du - was ist an dir noch dasselbe geblieben?«
    In der Wohnung begann das Telefon zu klingeln. Sie drückte schnell seine Hand und verschwand im Flur.
    Er hörte ihre Stimme, ohne zu verstehen, was sie sagte. Als sie zurückkam, setzte sie sich auf die Couch neben den Plattenkisten und zog die Beine an den Körper.

    »Musst du schon gehen?«
    Er ging ins Zimmer und setzte sich neben sie. »Nein.«
    »Es tut mir leid, dass ich dich vorhin unterbrochen habe, ich meine, die Sache mit deinem Kollegen. Es tut mir wirklich leid.«
    »Macht nichts.«
    »Kanntest du ihn gut?«
    »Nur flüchtig. Ich hatte gerade erst in der Redaktion zu arbeiten begonnen. Er war damals der Einzige, der mich gefragt hat, welche Geschichten mich wirklich interessieren.
    Ich hätte Lust, Whirlaway zu hören.«
    »Ich leg sie auf.«
    Er hörte, wie die Musik aus dem Nebenzimmer zu spielen begann. Die Wohnung war nun vollkommen dunkel, und er spürte, wie müde er war. Der Rucksack in seinem Hotelzimmer lag unausgepackt auf dem Bett, daneben die Ausgabe der Zeitung von heute; sein Hemd klebte auf der Haut, als hätte er einen Nachmittag in den Tropen verbracht. Vielleicht, dachte er, sollte er Maja fragen, ob er hier, auf dieser Couch, übernachten könne, einfach den Kopf auf das hohe Polster legen und schlafen. Dann dachte er an den Blick durch die Glasscheiben in seinem Büro, an die liegen gebliebene Arbeit. Maja erschien im Türrahmen und fragte: »Ist es laut genug?«

9
    Das Wüstenhaus
    Er ging die Auffahrt hinauf, überquerte den großen

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