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Das Wuestenhaus

Titel: Das Wuestenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Wolfram
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hat.«
    »Natürlich leugnen sie! Wahrscheinlich genießen sie es sogar, welchen Wirbel der Prozess auslöst. Es lässt sich ziemlich präzise nachvollziehen, wie das Ganze damals gelaufen ist. Es war ein perfekt ausgeklügeltes System, wochenlang vorbereitet. Sie wussten sogar sehr genau, dass an diesem Tag Touristen in der Synagoge sein würden.«
    »Wahrscheinlich hast du recht. Eigentlich gibt es keine Zweifel mehr, oder? Es ist alles glasklar …«
    »Ich verstehe deine Ironie nicht. Im Libanon hat es vorgestern einen von meinen Kollegen erwischt. Ein älterer, unauffälliger Mann, der die Fotografien von Henri Cartier-Bresson über alles liebte. Er hat sich nie besonders für Politik oder Religion interessiert, obwohl er hin und wieder darüber schrieb, weil das zu seiner Aufgabe gehörte. Jahrelang hat er für uns über Ausstellungen und Festivals im Nahen Osten berichtet. Und mit welchem Ergebnis? Sein
Tod ist jetzt schon vergessen. Eine Randspalte in unserer nächsten Ausgabe. So sieht es aus. Es war eine harmlose, nicht mal künstlerisch besonders wertvolle Fotoausstellung in Tripoli, zu der er gegangen ist. Es gibt nichts, kein Bekennerschreiben, keine Vorgeschichte, nur die Spuren einer heftigen Detonation im Vorraum. Stell dir vor, er hatte in den Tagen zuvor eine Grippe gehabt, er hat sich nur in seiner Wohnung aufgehalten, wahrscheinlich ein paar Aspirin geschluckt und …«
    »Bitte, hör auf.«
    »Warum? Interessiert dich nur deine Geschichte?«
    Maja stellte die Tasse ab.
    »Nein, aber ich will nicht, dass du mir erklärst, wie die Dinge wirklich sind. Du, die Beamten, Bernhard. Ihr habt euer Leben, eure Meinungen, ihr wollt eure Schuldigen, eure Rache … Ihr wisst gar nicht, wie das ist, wenn man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Du hast keine Ahnung, was es heißt, Menschen so zu verlieren!« Sie ging in ihr Zimmer.
    Nach einigen Minuten folgte er ihr. Das Zimmer besaß einen Balkon, der auf den Hof führte. An der Stirnseite befand sich ein großer Zeichentisch, eine weiße Platte auf zwei Holzböcken; an den Wänden hatte sie ihre Entwürfe angeheftet. In einer Ecke stand eine schlanke männliche Modellpuppe ohne Kopf. Ein dunkelbraunes Sakko hing über der Puppe, das ihn an den Schnitt chinesischer Jacken erinnerte. Der Kragen war schmal und klein. Maja blieb in einiger Entfernung stehen und sagte: »Ich weiß, ich habe kein
Recht, dir das zu sagen. Ich bin zu dir gekommen, ich habe mich mit dir in Paris verabredet.«
    Er ging zu der Modellpuppe. »Hast du das gemacht?«
    »Ja, ein Stück für die Kollektion, die wir auf der Messe vorstellen wollen. Es ist unser erstes Männerkleidungsstück.«
    Er berührte das Sakko. Der Stoff war schwer und fühlte sich weich, fast samtig an, wenn man mit der Hand darüberfuhr.
    »Ich habe das Sakko nach den Maßen meines Vaters geschneidert. Ich habe mir aus unserem alten Haus einige seiner Sachen mitgenommen.«
    »Deine Eltern würden sicher stolz auf dich sein. Wann werdet ihr die Kollektion präsentieren?«
    »Im nächsten Frühjahr.«
    »Das Sakko ist wirklich schön.«
    Auf dem Sofa an der Wand lagen Modemagazine und Zeitungen verstreut. Sein Blick fiel auf Kisten mit Schallplatten, die sich in den Ecken stapelten.
    »Sammelst du eigentlich immer noch Vinyl?«
    »Ja, aber es ist schwieriger geworden. Die neuen Scheiben, die es jetzt wieder gibt, haben nicht mehr den Zauber der alten.«
    »Ich sehe gar keinen Plattenspieler.«
    »Der ist drüben in Sonjas Zimmer. Manchmal feiern wir hier kleine Vinylpartys. Manche Platten kenne ich so gut, dass ich schon weiß, wann die Kratzer kommen.«

    »Darf ich?«
    Er ging in die Knie und zog einige der Platten hervor. Sie wirkten wie neu; selbst die beschädigten Cover waren sorgsam geglättet, ohne dass irgendwo ein Klebestreifen oder eine sonstige Reparatur zu entdecken war.
    »Allen Toussaint, Whirlaway, diese Platte habe ich auch. Gainsbourg, Birkin, Brel. Ich kenne niemanden in deinem Alter, der das noch hört.«
    »Ich höre diese Musik nicht mehr oft.«
    »Ich auch nicht. Leider.«
    Sie kniete sich neben ihn und zog nun selbst einige Platten hervor. Er sah auf ihre Hände. Maja entfernte eine Platte aus ihrer Papierhülle und betrachtete sie. »Ich mag die Atmosphäre in den Läden, die die Platten verkaufen. Ich bin immer noch jedes Mal neugierig, welche Farbe sie haben. Früher gab es dieses knallrote Vinyl - siehst du, wie bei dieser hier, jetzt verkaufen sie die Platten wieder ganz klassisch in

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