Das Wunder der Liebe
erwähnte. Wenn der Pastor diesen Mann hergeschickt hatte, konnte sie ihm sicherlich vertrauen. “Pastor Duvall hat Sie hierhergeschickt?”
“Ja, Ma’am. Ich erzählte ihm, dass ich nach einem Holstein-Kalb suche, und er sagte mir, dass Sie eines zu verkaufen hätten.”
“Ja, das stimmt. Ich habe sogar mehrere zum Verkauf.”
Damals hatte sie noch über achtzig Stück Vieh und zwei Farmarbeiter. Das war, bevor Blaine sie um ihr Geld betrogen hatte. Wren biss bei dieser Erinnerung die Zähne zusammen.
Was war sie nur für eine Idiotin gewesen.
Und da sie schon einmal hereingefallen war, wäre sie eine noch größere Närrin, Keegan eine Chance zu geben, die Hand an den Rest ihrer einst so blühenden Milchfarm zu legen.
Bossie muhte erneut und riss Wren aus ihren Tagträumen. Es wurde Zeit, dass sie ihre Mistgabel niederlegte und ins Haus hinüberging, um nach ihrem Patienten zu sehen. Zuerst aber würde sie Keegans Sachen aus der Scheune holen.
Sie hängte die Gabel an einen Haken an der Wand, zog die Handschuhe aus und steckte sie in die Jackentaschen, bevor sie die Treppe hinaufging.
Auf dem Boden war es eiskalt. Es war gut, dass sie Keegan ins Haus gebracht hatte. Sie schaute sich im Zimmer um. Sein Hut lag unter dem Bett und seine Lederjacke auf dem Boden.
Wren holte den Hut hervor, fuhr mit den Fingern über die Krempe und setzte ihn sich dann kurz entschlossen auf. Er war ihr viel zu groß. Sie fühlte sich auf einmal wie die Frau in der T-Shirt-Werbung, die zum Schrank ihres Mannes ging, um seinen Duft einzuatmen. Irritiert über diese intimen Gedanken, nahm sie den Hut rasch wieder ab und schob ihn sich unter den Arm.
Sein Rucksack lag auf dem Stuhl. Sie nahm ihn auf und schulterte ihn. Als sie sich Keegans Jacke über den Arm legte, wurde sie von seinem Duft eingehüllt. Es war ein sehr männlicher Duft, und irgendwie fühlte sie sich auf einmal beschützt.
Wren schüttelte den Kopf. Sie musste aufhören, so etwas Albernes und Absurdes zu denken. Das prickelnde Gefühl in ihrem Bauch und ihr schneller schlagendes Herz beunruhigten sie. Sie kannte diese Gefühle nur zu gut, und diese Gefühle hatten sie schon einmal in Schwierigkeiten gebracht. Obwohl Wren wusste, dass es nicht richtig war, Blaine mit Keegan zu vergleichen, würde sie ihren Gefühlen auf keinen Fall erlauben, noch einmal den falschen Weg zu gehen. Keegan war ein Fremder. Ein Mann, über den sie absolut nichts wusste. Nur weil sie etwas für ihn empfand, bedeutete das noch lange nicht, dass sie auch auf diese Gefühle reagieren musste.
Sie drehte sich um und ging auf die Treppe zu. Dabei bemerkte Wren aus den Augenwinkeln heraus, dass aus der Vordertasche des Rucksacks ein Stück Papier zu Boden segelte.
Sie schaute genauer hin.
Es war ein Foto.
Sie legte Hut, Jacke und Rucksack wieder auf dem Boden ab, beugte sich vor und hob das Bild auf.
Da die Ecken verknickt waren und sich Fingerabdrücke auf dem Foto befanden, nahm sie an, dass Keegan es schon länger bei sich trug.
Wren betrachtete die Personen, die auf dem Foto abgebildet waren. Es war eine Familie. Ein Mann, eine Frau und ein kleines Kind.
Der Mann musste Keegan sein. Er hatte die gleiche Statur, die gleichen Gesichtszüge, das gleiche schwarze Haar wie er.
Dennoch sah er anders aus. Sein Gesicht war ein offenes Buch. In seinen Augen waren keine Geheimnissen verborgen, und er lächelte ohne Vorbehalte. Er wirkte glücklich und von strahlender Gesundheit, anders als der Mann, dem sie jetzt begegnet war. Er trug Shorts, ein Polohemd und hatte einen Ehering an seinen Finger.
Sein Haar war kurz geschnitten, so kurz wie Polizisten oder Soldaten es normalerweise trugen. Vielleicht war eines von beiden früher sein Beruf gewesen. Das stimmte sie nachdenklich. Er war genau der Typ dafür. Stark, kontrolliert, immer auf der Hut und schweigsam. Sie strich mit dem Finger über sein Gesicht. Die Narbe konnte “man auf diesem Foto nicht sehen. Vielleicht hatte er sie zu dem Zeitpunkt, als die Aufnahme gemacht wurde, auch noch gar nicht.
Einen Arm hatte er lässig um die Schulter der Frau gelegt.
Sie schaute ihn mit strahlenden Augen an und lächelte glücklich.
Sie war hübsch, aber keine klassische Schönheit, dazu war ihr Mund zu voll, und ihre Augen standen zu weit auseinander. Sie hatte schulterlanges blondes Haar, in das sie ein blaues Band gebunden hatte. Sie trug ein schlichtes Sommerkleid mit großem Blumendruck - genau die Sorte Kleid, die Wren auch
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