Das Wunder der Liebe
erst recht aus dem Weg gehen. Sie konnte ihm nicht helfen. So oft machten Frauen Fehler, weil sie glaubten, einen Mann ändern zu können. Wren hatte das selbst durchgemacht. Keine äußere Macht, keine Liebe, auch wenn sie noch so groß war, konnte eine kranke Seele heilen. Der Impuls musste einzig und allein von der betroffenen Person selbst ausgehen.
Aber vielleicht hatte Keegan gute Gründe, durchs Land zu wandern, überlegte sie. Gründe, die vieles erklären würden.
Lass das, warnte ihre Vernunft sie, aber sie konnte diese Gedanken nicht vertreiben. Sie wollte, dass Keegan mehr war als nur ein Landstreicher oder ein Fall für die Irrenanstalt.
Warum aber? Sie brauchte keinen Mann. Sie kam allein sehr gut zurecht. Es stimmte, dass sie sich hin und wieder einsam fühlte, aber wer tat das nicht? Du lieber Himmel, warum machte sie sich nur so viele Gedanken über einen Fremden? Allein diese Tatsache sagte schon einiges über ihr Selbstbewusstsein aus.
Nur weil sie schüchtern war und ein klein wenig hinkte, war sie noch lange nicht so verzweifelt, dass sie sich an den erstbesten Mann heranmachte, der auf ihrer Türschwelle auftauchte.
Wren machte eine Pause und stütze sich auf der Mistgabel ab.
Die Arbeit hatte sie atemlos gemacht, und ihre Hüfte schmerzte leicht. Vielleicht brauchte sie keinen Mann als Bettpartner, aber eine Hilfe im Stall wäre äußerst willkommen.
Was wäre, wenn …? Nein! Wren warf den Kopf zurück. Das war eine dumme Idee.
Bossie wedelte mit dem Schwanz und stupste mit der Schnauze gegen Wrens Jacke. Wren streichelte gerührt die Stirn des Tieres. “Hey, altes Mädchen, bist du wegen gestern Abend immer noch böse auf mich?”
Bossie senkte den Kopf und ließ ein lautes “Muh” ertönen.
“Es tut mir wirklich Leid, aber gestern ist mir die Situation außer Kontrolle geraten”, entschuldigte sie sich.
Bossie blinzelte mit ihren braunen Augen und blies leicht durch ihre Nüstern.
Wren lächelte und biss sich dann nachdenklich auf die Unterlippe. Keegans Arbeit gestern Abend war ausgezeichnet gewesen, er kannte sich wirklich aus mit Kühen. Trotzdem wäre es nicht klug von ihr, Keegan diesen Job anzubieten. Schließlich wusste sie außer dem Namen nichts von diesem Mann, und selbst der konnte erfunden sein.
Es wäre nicht der erste Mann, der sie belogen hätte.
Doch dieses Mal war alles anders. Sie hatte Mitleid mit Keegan und würde ihm gern helfen. Das hier war anders als die Sache mit Blaine.
Sie versuchte, die Erinnerungen an ihn zu verdrängen, aber sie war machtlos. Obwohl seit damals zehn Jahre vergangen waren, schämte sie sich noch genauso, als ob es gestern gewesen wäre.
Blaine Thomas war an einem heißen Sommernachmittag in seinem roten, offenen Mustang ihre Einfahrt hinaufgefahren. Sie hatte gerade Unkraut im Garten gejätet, und als sie ihn entdeckte, wäre sie am liebsten in das Kornfeld nebenan gesprungen, um sich zu verstecken. Er hatte sie jedoch bereits gesehen und stieg aus dem Wagen.
“Hallo!” hatte er gerufen und war mit forschen Schritten auf sie zu gekommen. “Wie geht es Ihnen? Ich bin Thomas Blaine.”
Er hatte so schnell und viel auf sie eingeredet, dass Wren ganz benommen gewesen war. Mit halb offenem Mund, den Strohhut leic ht zurückgeschoben, hatte sie ihn voller Bewunderung angestarrt.
Blaine hatte sie damals mit seinem dichten blonden Haar und der athletischen Figur beeindruckt. Er war ein sehr gut aussehender Mann. Niemand hätte das bestreiten können.
“K…k…ann ich Ihnen helfen?” stammelte sie wie eine frisch gebackene Referendarin vor ihrer ersten Klasse und lief unter seinem Blick rot an.
“Ja, Ma’am, das können Sie.” Er streckte ihr die Hand entgegen, und sie war so benommen, dass es ihr noch nicht einmal in den Sinn kam, die Hand zu ergreifen.
Blaine war ihre Nervosität nicht entgangen und legte seine Hand einfach auf ihre Schulter. Sie zuckte unter seiner Berührung zusammen, war aber von seiner Nähe so überwältigt, dass sie nichts sagte, obwohl ihre innere Stimme sie warnte und ihr riet, diesen Mann sofort wieder wegzuschicken. Einen Rat, den sie unglücklicherweise nicht ernst nahm.
“Man sagte mir, dass Sie eine liebenswerte zuverlässige Frau sind, aber ich hatte keine Ahnung, dass Sie so hübsch und charmant sind”, begann er in schmeichelndem Ton.
“Wer sagte das?”
“Pastor Duvall und die netten Damen aus der Kirchengemeinde.”
Sie entspannte sich, als er den Namen von Pastor Duvall
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