Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)
und welche Renovierungen sie am Haus ihres Vaters vornahm. An diesem Tag erzählte sie ihrer Großmutter von ihrer neuen Couch, sagte jedoch nichts von Colin.
Sie redete, bis eine Pflegehelferin das Frühstück brachte, und half dann, ihre Großmutter zu füttern. Nachdem das Tablett weggeräumt war, wusch sie Georgie sanft das Gesicht und setzte sich wieder neben sie.
Sie zögerte kurz, dann zog sie die Einladung aus ihrer Gesäßtasche. »Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich dir etwas davon sagen soll oder nicht. Nächsten Monat findet im Blue Ridge Madam eine Party statt. Der Damenklub feiert seine Gründung. Paxton Osgood möchte dich auf der Party ganz besonders ehren. Das ist vermutlich nett von ihr. Aber du hast nie darüber geredet. Ich weiß nicht, ob dir der Klub irgendetwas bedeutet hat. Wenn ich es wüsste, würde ich hingehen. Aber ich weiß es einfach nicht.«
Willa betrachtete die Einladung und fing zum ersten Mal an zu rechnen. Ihr ging auf, dass ihre Großmutter erst siebzehn gewesen war, als sie zusammen mit ein paar Freundinnen den Klub gründete. Im selben Jahr hatte ihre Familie das Blue Ridge Madam verloren, und Willas Vater wurde geboren.
In ihrer Jugend war Willa nie stolz darauf gewesen, eine Jackson zu sein. Wenn sie jetzt darüber nachdachte, tat ihr das ausgesprochen leid. Mit zunehmendem Alter erkannte sie nämlich, wie schwer ihre Familie für ihren Unterhalt arbeiten musste und dass niemand außer ihr sich geschämt hatte für das, was sie verloren hatte. Inzwischen war ihr klar geworden, dass ihre Großmutter ihr nichts mehr erzählen konnte von dem, was sie gern über ihre Familie erfahren hätte. Doch sie bedauerte es zutiefst, dass sie sie früher nie danach gefragt und auch mit ihrem Vater nie darüber gesprochen hatte. In Momenten wie diesem wurde ihr auch schmerzhaft bewusst, wie oft sie hätte sagen sollen: »Ich liebe dich«, und es nicht getan hatte. Sie hätte sich anders verhalten und dafür sorgen sollen, dass ihre Familie stolz auf sie war. Stattdessen hatte sie ihnen ständig Kummer bereitet.
Willa sah von der Einladung hoch und bemerkte überrascht, dass Georgie den Kopf gedreht hatte und ihre hellgrauen Augen – dieselbe Schattierung wie Willas Augen – sie direkt anblickten, als hätte sie etwas Vertrautes gehört. So etwas war seit Jahren nicht mehr vorgekommen. Willa war so verblüfft, dass ihr Herz schneller zu schlagen begann.
Sie beugte sich vor. »Was war es, Großmutter? Das Blue Ridge Madam? Der Damenklub?«
Georgies linke Seite war durch den Schlaganfall gelähmt. Nun bewegte sie die rechte in Willas Richtung. Sie versuchte, ihre Lippen dazu zu bringen, Worte zu formen.
Sie versuchte es mehrmals, bis Willa ein Wort ablesen konnte: Pfirsich.
»Pfirsich? Möchtest du einen Pfirsich?«
Das Gesicht ihrer Großmutter erschlaffte, als hätte sie vergessen, was sie wollte. Sie wandte sich wieder dem Fenster zu.
»Okay, Großmutter Georgie«, sagte Willa, stand auf und drückte ihr ein Küsschen auf den Scheitel. »Ich sorge dafür, dass du ein paar Pfirsiche bekommst.«
Sie schlang den Schal um die Schultern ihrer Großmutter und versprach ihr, sie bald wieder zu besuchen.
Nach einem letzten Blick verließ sie das Zimmer.
Es war töricht, etwas Wichtiges zu erwarten. Sie sollte sich damit zufriedengeben, dass ihre Großmutter versucht hatte, sich ihr mitzuteilen.
Willa schaute noch kurz im Schwesternzimmer nach, ob dort eine medizinische Mitteilung für sie lag, und fragte eine Pflegerin, ob ihre Großmutter bei der nächsten Mahlzeit einen Pfirsich bekommen könnte.
Sie setzte ihre Sonnenbrille auf, trat in den Sonnenschein hinaus und überquerte den breiten gepflasterten Innenhof zum Parkplatz. Die gleißende Sonne spiegelte sich auf den Windschutzscheiben, sodass Willa nicht bemerkte, wie jemand auf sie zukam, bis die Person nur wenige Schritte von ihr entfernt war.
Es war Paxton Osgood in einem schönen rosafarbenen Kleid und hübschen Schuhen. Sie war hochgewachsen wie ihr Bruder, jedoch mit deutlichen Rundungen ausgestattet. Vielleicht hatte einer ihrer hageren französischen Vorfahren seine Umgebung mit einem drallen Milchmädchen als Braut brüskiert, und mehrere Generationen später kam das nun bei Paxton durch. Ihr Begleiter war ein blonder, hellhäutiger Mann in einem maßgeschneiderten Anzug, der an einem so schlanken Mann außergewöhnlich gut aussah. Der Mann war auf höchst ungewöhnliche Weise schön – einer jener
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