Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)
sie von Polizisten aus der Schule geführt worden war, nachdem sie den Feueralarm ausgelöst hatte. Die ganze Schule war auf dem Rasen versammelt gewesen. Alle flüsterten: »Sie war’s!« – und: »Willa Jackson ist der Walls-of-Water-Highschool-Joker!« Colin Osgood wirkte völlig schockiert, auch wenn ihr nicht klar war, ob es daher kam, dass sie es war, oder daher, dass er fortan für ihre Streiche keinen Ruhm mehr einheimsen konnte.
Sie nahm auf einem Sessel auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers Platz. Wortlos starrten sie einander an. Sie beobachtete ihn, während seine Blicke ungeniert über ihren Körper glitten, und wollte ihn gerade zurechtweisen, als er fragte: »Und – gehst du hin?« Er deutete auf die Einladung, die sie noch immer in der Hand hielt. »Zur Gala?«
Sie starrte darauf, als wäre sie überrascht, dass sich die Einladung dort befand. Dann legte sie sie auf den Computertisch und bedachte sie mit einem bösen Blick, als wäre sie an allem schuld. »Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil es nichts mit mir zu tun hat.«
»Also gehst du nur zu Partys, die etwas mit dir zu tun haben? Zum Beispiel deine Geburtstagsparty?« Er hielt kurz inne, dann verzog er das Gesicht und fügte hinzu: »Das klang in meinem Kopf lustiger als in Wahrheit. Tut mir leid. Wenn man achtundvierzig Stunden auf den Beinen ist, wirkt plötzlich alles lustig. Auf meinem Weg hierher habe ich über eine Geschwindigkeitsbegrenzung gelacht. Keine Ahnung, warum.«
Er war übermüdet. Das erklärte einiges. »Warum bist du seit achtundvierzig Stunden auf den Beinen?«
»Ich konnte auf dem Flug von Japan nicht schlafen. Und dann habe ich versucht, tagsüber wach zu bleiben, um zu einer normalen Uhrzeit ins Bett zu gehen und durch die Zeitverschiebung nicht hoffnungslos die Orientierung zu verlieren.«
Sie schaute aus dem Fenster. »Hat dich jemand hierhergefahren?«
»Nein.«
Sie sah ihm in die Augen. Sie wirkten dunkel und sehr müde. »Glaubst du, dass du heil nach Hause kommst?«, fragte sie.
Er lächelte. »Das war eine sehr verantwortungsbewusste Frage.«
»Ich mach dir einen Kaffee.«
»Wie du meinst. Aber die alte Willa hätte eine Möglichkeit gefunden, diese Situation auszunützen.«
»Du hast keine Ahnung, wer die alte Willa war«, sagte sie.
»Du offenbar auch nicht.«
Wortlos drehte sie sich um und ging in die Küche. Dort schaffte sie es, sowohl das Kaffeepulver als auch das Wasser zu verschütten. Dabei wollte sie doch bloß den alten Kaffee-Perkolator ihres Vaters in Gang setzen, um Colin einen kräftigen Schuss Koffein zu verabreichen und ihn hinauszukomplimentieren.
»Machst du das oft – zum Blue Ridge Madam hochfahren?«, rief Colin aus dem Wohnzimmer.
»Nein«, erwiderte sie. Klar, dass er das noch mal zur Sprache brachte.
»Du hast doch nicht etwa einen Streich für die große Gala geplant?« Seine Stimme klang hoffnungsvoll.
»Herrgott noch mal!«, grummelte Willa.
Sie lehnte sich an die Küchentheke und sah dem Perkolator dabei zu, wie er zischte und sprudelte. Als er endlich genug vor sich hin gegurgelt hatte, schenkte sie eine Tasse ein und ging damit ins Wohnzimmer.
Er saß noch immer auf ihrer grauen Mikrovelourscouch, die Hände auf den Knien, den Kopf an die Kissen gelehnt.
»O nein!«, rief sie erschrocken und stellte die Tasse auf dem Couchtisch ab. »Nein, nein, nein! Colin, wach auf!«
Er rührte sich nicht.
Sie berührte ihn an den Schultern. »Colin, ich habe dir einen Kaffee gemacht. Wach auf und trink einen Schluck!« Sie schüttelte ihn. »Colin!«
Seine Augen öffneten sich. Sein Blick wirkte glasig. »Was ist bloß mit dir passiert? Du warst der kühnste Mensch, den ich kannte«, murmelte er. Dann fielen ihm die Augen wieder zu.
»Colin?« Sie starrte ihn an, wartete darauf, dass seine langen Wimpern sich bewegten, dachte, vielleicht war das nur ein kleiner Scherz. »Colin?«
Nichts regte sich.
Einen Moment lang stand sie völlig entgeistert da, dann wollte sie kehrtmachen. Plötzlich stieg ihr etwas Süßes in die Nase. Sie atmete tief ein und wollte den Duft instinktiv genießen. Doch dann landete er mit einem bitteren Geschmack auf ihrer Zunge. Beinahe hätte es sie gewürgt. Der Geruch war so stark, dass sie das Gesicht verzog.
Einmal hatte ihre Großmutter einen besonders missglückten Zitronencremekuchen gebacken und ihr danach erklärt, dass so und nicht anders die Reue schmecke.
Der dichte Morgennebel, der in Walls of Water wegen der nahe
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