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Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Titel: Das Wunder von Grauenfels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktoria Benjamin
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Erfüllung ging: eine Wunderquelle, die Gewichtsreduktion versprach – die Stadt hätte ausgesorgt. Überhaupt förderte so eine Marienerscheinung unzweifelhaft den Tourismus. Ruben lachte in sich hinein. Manchmal musste er wirklich aufpassen, dass seine Fantasie nicht mit ihm durchging.
    Der Bus erreichte Grauenfels gegen elf Uhr und wurde von einem mürrisch blickenden Jungen in Jeans und Turnschuhen auf einen Parkplatz gewiesen. Der Knabe trug die Haarestoppelkurz, Ruben hätte ihn fast für eine Glatze gehalten, wenn die sonst eher konventionelle Bekleidung nicht gewesen wäre.
    »Macht vier Mark!«, forderte der Junge. Der Busfahrer zahlte ohne Widerrede. Wahrscheinlich war er froh, überhaupt noch einen Parkplatz zu finden. Spezielle Busparkplätze waren anscheinend noch nicht ausgewiesen.
    »Sie können sich jetzt noch ein bisschen die Beine vertreten, und um zwölf Uhr wird dann ein Mittagessen im Adler serviert«, instruierte der Busfahrer die Pilger, die jetzt rasch aus dem Bus strömten. »Das Lokal liegt hier gleich um die Ecke, können Sie gar nicht verfehlen. Sie können sich beim Essen auch Zeit lassen, vor zwei Uhr läuft nichts in dem Wald, die Jungfrau kommt meistens so gegen drei, halb vier. Vorher sind die Mädchen auch noch gar nicht oben, also machen Sie halblang. Wir treffen uns hier dann wieder gegen sechs. Abfahrt halb sieben. Alles klar?«
    Die Pilger nickten. Ruben schloss sich Elfi und Piggy an – und erfuhr dabei auch deren richtigen Namen, Annika.
    Auf den Straßen von Grauenfels herrschte für einen Sonntag ungewöhnlicher Betrieb. Es gab Bücherstände, organisiert von verschiedenen christlichen Organisationen, und sogar ein Info-Zelt über UFO-Sichtungen. Eine junge Frau mit halblangem blondem Haar und hellgrünen Augen, anscheinend eine Vertreterin der Stadtverwaltung, sprach in tadelndem Ton auf die Betreiber ein. Anscheinend fand sie den Aufbau unpassend.
    Ein Stand nebenan verkaufte Devotionalien – Rosenkränze, Heiligenbildchen, winzige Marienstatuen in aufklappbaren Minikapellen und gerahmte Marienbilder. Ruben fragte sich, woher der Händler sein mochte. Die neuen Bundesländer hatten sicher nicht viele Geschäfte dieser Art aufzuweisen. Eine Frage an den gähnenden Verkäufer klärte die Angelegenheit.
    »Ich komm von Paderborn. Hab das hier gehört, und da dachte ich, man kann’s ja versuchen. Vielleicht lohnt sich die Sache. Und bislang ist der Umsatz nicht ohne. Wenn sich da nachher wirklich was tut, in dem Wald, mach ich hier das Geschäft des Jahres.«
    Ruben zog innerlich den Hut vor so viel Geschäftstüchtigkeit. Elfi kaufte einen Rosenkranz.
    »Vielleicht segnet sie den ja. Also die Muttergottes, meine ich. In Marpingen hat sie Rosenkränze gesegnet. Da hab ich mich geärgert, dass ich keinen hatte«, erklärte sie.
    Ruben vermerkte im Stillen für seinen Artikel, dass Rosenkranzsegnungen bei Marienerscheinungen offensichtlich den gleichen Stellenwert hatten wie Autogrammstunden bei Popkonzerten.
    Ein paar Meter weiter sang eine christliche Jugendgruppe zur Gitarre, daneben verwies ein Schild auf einen Biergarten im Innenhof des Hauses. Ein paar Schritte weiter hielten Jugendliche leere Flaschen und Kanister feil.
    »Wenn Sie Wasser mitnehmen wollen«, meinte einer von ihnen hoffnungsvoll. Auch seine Haare waren verdächtig kurz, und unter dem T-Shirt war eine Tätowierung erkennbar. Ruben meinte, den Schriftzug »Böhse Onkelz« identifizieren zu können, war sich aber nicht sicher.
    Formschönere Gefäße, die allerdings weniger dicht wirkten, verkauften ein paar Mädchen nahe der Gaststätte. Die Krüge mit wenig vertrauenerweckenden Korkverschlüssen schienen selbst getöpfert.
    »Der Erlös kommt unserer Mädcheninitiative zugute!«, erläuterte die junge Verkäuferin, ein niedlicher Punk mit Nasenstecker und Tattoo auf dem Oberarm. Das Mädchen hatte sein hennarotes Haar mit Gel zu einem vogelnestartigen Aufbau hochgestylt. »Wir üben Umgang mit Technik und machen Kurse zur Selbstverteidigung. Außerdem natürlich Gesprächskreise zu allen möglichen Frauenthemen …«
    Auf die Pilger schien das nicht viel Eindruck zu machen. Die meisten warfen nur einen Blick auf das Mädchen und gingen dann schnell weiter. Dafür lächelte ihr die junge Frau zu, die Ruben eben schon am UFO-Stand aufgefallen war. Mit prüfendem Blick begutachtete die große, sportlich gekleidete Blondine den Stand und wandte sich dann an das Mädchen, anscheinend mit Auflagen oder

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