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Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Titel: Das Wunder von Grauenfels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktoria Benjamin
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mich interessiert es vor allem unter soziologischen Gesichtspunkten«, meinte die ältere der Schwestern. Sie hatte ein langes, starkknochiges Gesicht und kluge blaue Augen. »›Die Rolle der Frau in der Religion als Objekt der Anbetung und als Gläubige‹ war mein Forschungsthema an der Uni, ich habe über ›Muttergottheiten als Vorläufer der christlichen Marienverehrung‹ promoviert. Insofern habe ich mich angeschlossen, als Feli diese Reise plante.«
    Ruben war schon wieder geplättet. Eine Nonne mit Doktortitel hätte er nicht erwartet. Bisher hatte er die schwarz gewandeten Damen eher unter dem Stichwort ›schlichte Naturen‹ eingeordnet.
    »Und was hat Sie motiviert?«, fragte er die Jüngere.
    »Oh, ich will wissen, ob was dran ist!«, platzte Maria Felicitas heraus. »Ich möchte das mal mit eigenen Augen sehen, diese angeblichen Erscheinungen, diese Kinder, das ganze Drum und Dran. Und dann für mich selbst entscheiden, ob ich’s glaube.« Die Augen der Nonne glänzten unternehmungslustig.
    »Wie gesagt, sie liest zu viele Kriminalromane«, seufzte die Ältere. »Unser Kloster ist ihr entschieden zu ruhig. Sie träumt von einer Abtei wie im Namen der Rose. «
    Maria Felicitas kicherte. »Also das denn doch nicht. Aber mal so ein bisschen Abwechslung … jedenfalls ist dies unser freies Wochenende. Und die Mutter Oberin hat es schließlich nicht direkt verboten. Ich bin gespannt, was uns erwartet. Werden Sie mir nachher sagen, wie Sie es fanden?«
    Ruben nickte. »Und wenn ich das große Geheimnis lüfte, sind Sie die Ersten, die es erfahren!«, versprach er lächelnd.
    Auf dem Weg zur Toilette kam Ruhen dann kurz ins Gespräch mit einem Ehepaar. Die Frau, ein energisches Geschöpf in den Fünfzigern, hatte ihren Mann zu der Reise überredet, weil er anhaltende Venenprobleme hatte.
    »Immer starker Raucher gewesen … tja … und jetzt wollen sie das operieren. Raucherbein, wissen Sie. Aber mein Hansemann will das partout nicht. Und da hab ich ihm gesagt … dann fahren wir wenigstens nach Lourdes, hab ich ihm gesagt. Aber er will nicht. Ist ihm zu teuer. Deshalb versuchen wir es jetzt erst mal in Grauenfels. Aber ich sag dir gleich, Hansemann, wenn das nichts bringt …«
    Später quetschte sich Ruben neben eine andere ältere Frau, die hingebungsvoll in einem Büchlein blätterte. »Die Geheimnisse von Fátima«. Die Dame hatte eine Sitzbank für sich allein, da ihre Körperfülle kaum Platz für einen weiteren Reisenden ließ. Ruben fragte sich, ob sie für die zwei Sitzplätze hatte bezahlen müssen oder ob es einfach Glück war, dass überhaupt noch Plätze frei waren. In dieser Gesellschaft wäre es höchstens ihm, Elfi oder Schwester Maria Felicitas möglich gewesen, das Gesäß halbwegs vollständig neben der Dame niederzulassen. Verglichen mit ihr, erschien selbst Miss Piggy schlank wie eine Elfe. Immerhin war die Dame kommunikativ. Die unvermutete Gesellschaft ließ sie das Traktat gleich beiseite legen.
    Ohne Luft zu holen, erzählte sie Ruben ihre Krankengeschichte. »Wissen Sie, ich bin behindert. Schon mit einem dünneren Bein geboren, und dann musste ich immer Schienentragen, mein ganzes Leben lang. In den letzten Jahren wurde es dann immer schlimmer und schlimmer, jetzt kann ich kaum noch gehen …«
    Ruben wunderte das nicht. Auch ein gesunder Mensch hätte seine Probleme gehabt, diese Fettmassen mit sich herumzuschleppen.
    »Ich sollte natürlich auch abnehmen …«, fügte die Frau hinzu, als sie seinen prüfenden Blick bemerkte. »Aber das ist so schwer, wenn man sich nicht bewegen kann. Meine Nichte sagt immer, ich soll Bodybuilding machen. Können Sie sich das vorstellen? Dieses herzlose Kind! Mein Sohn ist da ganz anders, der war sogar mit mir in Fátima. Das war sehr, sehr erhebend. Aber auch anstrengend. Und dann dieses Land … Also wie die reden, da kann keiner Deutsch. Und das Essen, nein, das war nichts für mich. Da bin ich dann hinterher lieber nach Marpingen. Und jetzt eben Grauenfels. Die ›Regenbogenmadonna‹ … das muss schon sehr erhebend gewesen sein, diese Erscheinung unter dem Regenbogen, unsere Kirchenzeitung hat ausführlich darüber berichtet. Ich habe immer noch Hoffnung, wissen Sie, immer noch Hoffnung … Mein Sohn sagt immer, mit deinem Optimismus, Mama …«
    Ruben suchte einen guten Grund, sich zu verabschieden. Für die Heilung der Dame sah er ziemlich schwarz – allerdings würde Grauenfels eine Goldgrube werden, falls das erhoffte Wunder doch in

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