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Das Wunder von Treviso

Das Wunder von Treviso

Titel: Das Wunder von Treviso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Falk
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erregt und wiederum andere zu wahren Enthusiasten werden ließ. Don Antonio gehörte der ersten Kategorie an, denn er lebte in ständiger Furcht, entlarvt zu werden. Die Geschäftsleute Trevisos waren eindeutig Vertreter der zweiten oder dritten Kategorie. Es gab aber auch zwei Menschen im Ort, die weit weniger mit dem Wunder der weinenden Madonna als mit sich selbst beschäftigt waren und diedennoch ganz eindeutig zu den besonders fröhlich gestimmten Einwohnern zählten.

15
    Er war ernüchternd, dieser Blick in den Kleiderschrank, der einem sagte, dass man seit genau dreizehn Jahren keinen neuen Anzug mehr gekauft hatte. Und ein Blick in den Spiegel verriet Luigi, dass er dies wohl besser einmal getan hätte, denn er fühlte sich entsetzlich unmodern gekleidet, gerade für einen Friseur. Trug man noch Hellgrau? Und was zum Teufel war das für eine elende Krawatte? Brauchte er die wirklich? Mit einem kräftigen Ruck löste er den Knoten seines grau-orange gestreiften Schlipses, zog ihn über den Kopf und warf ihn auf den Küchentisch. Nun fühlte er sich besser. Wenn er den obersten Knopf seines Hemdes öffnete, sah er fast leger aus. Oder war das jetzt zu leger? Himmel, warum musste er sich über so etwas in seinem Alter noch einmal Gedanken machen? Und dieser Bauch! Wann hatte er sich diesen Bauch angefressen? Aber mal im Ernst: Wovor sollte er sich fürchten? Sein Herz hatte er schon fast verloren, konnte es noch schlimmer kommen?
    Luigi atmete tief durch, warf noch einen kurzen Blick auf die Nachrichten im Fernsehen, knipste dann das Gerät aus und verließ das Haus. Erst unterwegs zum Brunnen, wo sie verabredet waren, bemerkte er, dass erdie Blumen, die er vorher extra in Castello besorgt hatte, vergessen hatte.
    Maria dagegen hatte ein echtes Problem, denn was sollte sie nun unter dem Ausdruck
etwas trinken gehen
verstehen? War das jetzt ein Rendezvous oder ein geselliger Abend zu zweit ohne Verpflichtungen und Hintergedanken? Und was von beidem war ihr eigentlich lieber? Maria überlegte lange und entschied sich, dass sie darüber jetzt nicht nachdenken wollte. Sie schlüpfte in das sorgsam ausgewählte Kostüm und griff zu ihrer Handtasche, als sie die Stimme ihres Bruders vernahm, der sich erkundigte, ob sie denn in den nächsten zwei Stunden zurück sei. Erst da nahm sich Maria vor, dass es ein langer Abend werden würde. Sie ließ ihren Bruder mit nichts als einem Lächeln in der Tür stehen und zog in Richtung Marktplatz los, wo sie um halb neun mit Luigi verabredet war. Und sie beschloss, dass es ein Rendezvous werden würde.
    Am Brunnen angekommen, musste Luigi nicht lange warten. Maria traf nur wenige Minuten nach ihm ein.
    «Ich hab deine Blumen zu Hause vergessen, Maria», entschuldigte er sich.
    «Oh, das macht nichts, die können wir ja vielleicht später abholen», antwortete sie und blickte ihm dabei direkt in die Augen. Wie durch ein Wunder hielt er ihrem Blick nicht nur stand, er erwiderte ihn sogar, freundlich, herzlich, lächelnd.
    «Ja», sagte er nur, «ja, das können wir tun.» Er nahm ihren Arm. Nie war es ihm leichter gefallen, sich ernsthaftzu verlieben, als in diesem Moment, da er sie berührte. Und nie hatte Maria es als so wunderbar empfunden, berührt zu werden, wie an diesem Oktoberabend in Treviso.

Dritter Teil

1
    Die Zwölf-Uhr-Messe begann gleich, und der Pater war in Eile, doch zuvor warf er noch einen Blick in den Spiegel. Er hatte sich eine neue Soutane geleistet. Eigentlich hatte er sich sogar drei neue Soutanen geleistet, denn bei dem aktuellen Andrang an Pilgern und den täglichen Messen – mal abgesehen von allen anderen Verpflichtungen – musste er sein Gewand durchaus öfter wechseln als früher. Und seit er sein schlechtes Gewissen entdeckt hatte, schwitzte er noch viel mehr.
    Doch bei allem Stress, den das Wunder mit sich brachte, musste er zugeben, dass er den Trubel auch genoss. Nie zuvor hatte er so viele Gläubige betreut, nie zuvor war er so gebraucht und gefordert worden, und nie zuvor hatte er seinen Beruf mit so viel Begeisterung ausgelebt wie in diesen Wochen. Seine Predigten, obgleich immer noch knapp und nüchtern, waren eine Spur witziger als früher und sein Händedruck ein wenig fester. Die Aufregung um das Wunder belebte ihn, und es gelang ihm schließlich, sein Gewissen zu beruhigen. Immerhin hatte er durch das Wunder schon viel Gutes bewirkt. Und so wurde selbst sein Schlaf mit der Zeit ruhiger und weniger von üblen Träumen begleitet als noch

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