Das zarte Gift des Morgens
schönen Frau wegen begangen wird. Also wie steht es, Iwan Grigoijewitsch? Was soll ich ins Protokoll schreiben?«
Aber Poljakow bewegte nur abwehrend den Kopf.
»Schauen Sie ihn doch nur an!« Maria schlug die Hände zusammen. »Ach, ihr Männer! Da habt ihr schon graue Haare und denkt doch immer nur an das eine. Nur gut, dass Sie mich nicht weggeschickt haben, so ist doch wenigstens einer hier mit gesundem Menschenverstand. Sie sind mir vielleicht ein Schnösel«, sagte sie und maß Nikita mit einem verächtlichen Blick. »Was verstehen Sie junger Spund schon von diesen Dingen? In welcher Beziehung stehen Sie zu ihr?«, äffte sie Kolossow nach. »Besinnungslos verliebt hat er sich in sie, in dieses kleine Biest, da haben Sie die Beziehung. Wanja, was hast du? Das Herz?«
Poljakow massierte sich mit der flachen Hand die Brust und knöpfte sich den gestärkten Stehkragen auf.
»Nein, nein, alles in Ordnung, Mascha. Wirklich, es ist nichts!«, sagte er. Aber Maria hörte nicht auf ihn, sprang vom Tisch auf und schrie etwas von Tabletten.
»Übrigens hat diese Sascha Maslowa noch etwas über Sie gesagt«, fuhr Kolossow im heuchlerischen Tonfall eines Denunzianten fort. »Und auch da weiß ich nicht, was ich davon halten soll . . . Also, kurz gesagt, ich habe sie gefragt: Wer ist dieser Iwan Grigorjewitsch überhaupt? Und sie antwortet mir: Er gehört zur Mafia. Offenbar haben Sie selbst sich ihr so vorgestellt – als Mafioso.«
»Sollte ich ihr etwa sagen, ich sei Koch?« Poljakow grinste schief.
»Wieso, ist es romantischer, sich als Mafioso zu bezeichnen?«
»Nun, sie ist. . . Sascha ist in einem Alter, wo sie unbedingt etwas Sensationelles braucht. Sie schaut sich dauernd die Seifenopern im Fernsehen an, liest mit Begeisterung den ›Paten‹ und solches Zeugs. So sind die jungen Leute von heute . . . Handwerk, Beruf, Bestimmung – das ist für sie Schall und Rauch. Aber Mafia – das verstehen sie sofort, ohne viele Worte. Dann kommen keine Fragen mehr, woher ich mein Geld habe, warum ich ein Haus im Grünen besitze, einen Wagen . . . Verstehen Sie, dieses Mädchen bedeutet mir sehr viel, aber wir sprechen verschiedene Sprachen. Ich habe versucht, mit ihr in einer Sprache zu reden, die sie . . . die ihre Generation versteht. Wie hätte ich sonst ihre Aufmerksamkeit auf mich ziehen können? Zwischen uns ist ein Altersunterschied von rund dreißig Jahren.«
»Sie haben sich selbst ausgetrickst, Iwan Grigoijewitsch. Die Kleine kam ganz verängstigt zu uns gelaufen und hat Sie des Mordes an diesem Burschen beschuldigt.«
»Ich habe Studnjow nicht ermordet. Obwohl, ich will es nicht verhehlen . . . Es gab in unserer Beziehung schwierige, sogar tragische Momente. Er hat mir Schlimmes angetan, aber . . . ich habe ihn nicht angerührt.«
»Dann versuchen Sie, sich mit ihr darüber auszusprechen. Sonst geht sie damit noch zur Staatsanwaltschaft. Man wird Sie ja alle als Zeugen vorladen. Und bei der Staatsanwaltschaft sitzen höchst seriöse Leute ohne viel Fantasie, die werden Ihnen diesen ganzen Liebesschmus nicht abnehmen.«
»Danke für den guten Rat«, sagte Poljakow. »Haben Sie sonst noch Fragen an mich?«
In diesem Augenblick kehrte Maria mit einem Glas Mineralwasser und Tabletten zurück. Nur mit Mühe konnte Poljakow sie abwehren.
»Ich habe die Speisenliste, die Sie für uns zusammengestellt haben, mitgebracht«, sagte Kolossow und nahm das Fax, das ihm aus dem Restaurant geschickt worden war, aus einer Mappe. »Mit den Speisen vom Freitagabend. Ich brauche Ihre fachmännische Hilfe.«
»Dazu gehen wir besser in die Küche.« Poljakow erhob sich und führte Nikita hinüber ins Allerheiligste des »Al-Maghrib«.
Die vom Licht elektrischer Lampen hell erleuchtete Küche war leer. Allerdings schaute, kaum dass sie eingetreten waren, aus der angrenzenden Konditorabteilung das runde, rotwangige Gesicht von Lew Saiko um die Ecke. Mit einem Kopfnicken begrüßte er Kolossow.
»Iwan Grigoijewitsch, ich brauche eine Antwort auf folgende Frage: In welchen der hier aufgeführten Speisen befinden sich die meisten Gewürze?«, fragte Kolossow.
»Welche Gewürze interessieren Sie denn konkret?«, fragte Poljakow zurück.
»Die scharfen wie Pfeffer, Knoblauch, aber vermutlich haben Sie auch noch andere, oder?«
Poljakow ging zu dem großen Wandschrank und öffnete ihn. Nikita stieß einen verblüfften Pfiff aus: Regale, Regale, und alle voller Döschen und Fläschchen. Dutzende, nein, Hunderte! In jedem
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