Das Zauberer Handbuch
dann doch nicht erreichen, dass sich die Leser mit zwei tumben grünen Schlagetots identifizieren. Also kam das Element Humor ins Spiel, das sehr gut geeignet ist, um Distanz zwischen Leser und Protagonist zu schaffen und dafür zu sorgen, dass dessen Handlungen reflektierter betrachtet werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits mit dem Gedanken gespielt, ein ungleiches Brüderpaar in den Mittelpunkt der Handlung zu rücken, und als nun auch noch das augenzwinkernde Element hinzukam, sah ich die beiden plötzlich vor mir: der eine groß und schlank und von einer gewissen Einfalt, jedoch durchaus lebenspraktisch veranlagt; der andere klein und untersetzt, um nicht zu sagen fett, mit einem fatalen Hang zur Rechthaberei.
Robert E. Howard, der Erfinder von CONAN, hat einmal gesagt, dass diese Figur des cimmerischen Barbaren eines Tages geradewegs in seine Vorstellung spaziert sei, fix und fertig mit allen dazugehörigen Eigenschaften. Bis dahin hatte ich so etwas nie erlebt und ehrlich gesagt auch bezweifelt, dass es tatsächlich möglich wäre. Bis ich »meinen« Orks begegnete, denn die beiden standen sozusagen tatsächlich schlagartig vor mir, wohlgemerkt nicht als Einzelfiguren, sondern als Duo, als das sie perfekt harmonierten. Erst einige Tage später wurde mir klar, dass sich wohl aus ferner Vergangenheit meine einstige Vorliebe für Slapstick und insbesondere für die Filme von Stan Laurel und Oliver Hardy zu Wort gemeldet hatte. Anfangs war das ein unbewusster Prozess, aber je mehr ich darüber nachdachte, desto besser fügte es sich in die Geschichte ein, die ich erzählen wollte, und so beschloss ich, meine beiden Orks zur Hommage an das wohl größte Komiker-Duo aller Zeiten zu machen, was sich letztlich auch in ihren Namen widerspiegelt. In Anspielung an die wenig schmeichelhafte Eindeutschung, die man Laurel & Hardy in den frühen 30er-Jahren zukommen ließ, nannte ich sie Balbok (vom orkischen balbh , was dumm oder eben doof bedeutet) und Rammar (vom orkischen rammash = dick, fett).
In dem Augenblick, da ich mich entschied, meine Geschichte humorig zu gestalten, war mir aber auch klar, dass ich weitere Hauptfiguren brauchen würde, die den Leser bei der Hand nehmen und ihm jene Identifikationsmöglichkeit bieten würde, die ich ihm bei den beiden Orks genommen hatte. So entstand die Figur des Kopfgeldjägers Corwyn, der auf der Suche nach Beute mit Balbok und Rammar aneinandergerät und in ein wildes Abenteuer verstrickt wird, an dessen Ende die Krone des Elfenreichs auf seinem Haupt landet (und das im wörtlichen Sinn). Sehr früh tauchte auch die Figur der Elfenpriesterin Alannah auf, die von den Orks aus Shakara entführt wird, jedoch so ganz anders ist, als die beiden es sich vorgestellt haben. Als Gegenspieler wählte ich den Zauberer Rurak, der all die Eigenschaften der Fantasy-Schurken vereint, die ich in meiner Jugend besonders geliebt habe. Vor allem jene finsteren Magier, die Robert E. Howard bevorzugt auf seine Helden losgelassen hat, haben hier deutlich ihre Spuren hinterlassen.
Da hatte ich nun meine Figuren. Aber noch standen sie einfach stumm da, kratzten sich am Kinn und langweilten sich ein wenig, darauf wartend, dass ich ihnen etwas zu tun gab. Ausgehend von diesen Figuren begann ich also meine Handlung zu stricken: Wer sind diese Typen? Was wollen sie eigentlich hier? Und vor allem: Was werden sie tun, um ihre Ziele zu erreichen?
Jede Geschichte, die wir erzählen, berichtet letztlich vom Ende eines Konflikts, der schon sehr viel früher begonnen hat, von seiner finalen Zuspitzung und Auflösung. Insofern ist es ganz folgerichtig, dass wir in dieser Phase der Geschichtenplanung sehr viel über die Vergangenheit unserer Helden und ihrer Gegner erfahren: Es gibt natürlich Gründe dafür, dass Rurak an die Karte von Shakara gelangen will, ebenso wie es Gründe dafür gibt, dass Corwyn Orks hasst und Alannah sich nach Freiheit sehnt. Diese Vergangenheit unserer Helden festzulegen und aufzuschreiben, ist sehr wichtig, denn aus ihr heraus erklärt sich ihre Motivation, erst sie macht die Handlungen unserer Protagonisten nachvollziehbar und verständlich. Gerade bei Rurak und Alannah war es so, dass dieses Erforschen der Vergangenheit immer mehr und noch dramatischere Einfälle hervorbrachte, wie die Geschichten der beiden Figuren verknüpft waren, sodass ich schließlich nicht nur die ORKS-Trilogie, sondern auch noch die ZAUBERER-Trilogie brauchte, um ihre Vergangenheit ganz zu
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