Das Zauberschwert - 10
dementsprechend war man ein Fremder oder ein Verwandter. Nach diesem Kriterium, dem wichtigsten auf Darkover, war Andrew Carr einer von ihnen, und daneben spielte es keine Rolle, dass er von der Erde kam.
Auch Ellemir hatte plötzlich einen neuen Stellenwert in seinem Leben gewonnen.
Damon, dessen angeborene telepathische Begabung im Turm ausgebildet worden war, erlebte die Berührung der Gedanken als eine Verbundenheit, wie sie durch nichts anderes erreicht werden konnte. So hatte er für Leonie empfunden und Leonie war zwanzig Jahre älter als er, durch das Gesetz verpflichtet, Jungfrau zu bleiben, und niemals schön gewesen. Während seiner Zeit im Turm und noch lange danach hatte er sie mit einer hoffnungslosen Leidenschaft geliebt, die ihn für andere Frauen untauglich machte. Wenn Leonie es gewusst hatte – und sie hatte kaum umhin gekonnt, es zu wissen, da sie war, was sie war –, dann hatte es für sie keinen Unterschied bedeutet. Bewahrerinnen wurden mit Methoden, die normalen Männern und Frauen unverständlich waren, dazu erzogen, die Sexualität aus ihrem Leben auszuschließen.
Das Nachdenken darüber brachte ihn wieder zu Callista und zu Ellemir. Er kannte sie fast ihr ganzes Leben lang. Aber er war beinahe zwanzig Jahre älter als sie. Seine Eltern hatten ihn oft gedrängt zu heiraten, doch die Liebesfähigkeit seiner ersten Jugend war in der weißen Hitze einer rauchlosen Flamme für die unerreichbare Leonie aufgegangen. Später hatte er immer gemeint, er habe einer Frau nicht viel zu bieten. Die Intimität, die er mit anderen, Männern und Frauen, im Turmkreis kennen gelernt hatte, wo die Seelen und Herzen einander offen standen – sieben Personen in einer Gemeinschaft, in der nichts, und sei es noch so geringfügig, verborgen blieb und nichts verweigert oder zurückgewiesen wurde –, hatte ihn für weniger enge Kontakte verdorben. Dann hatte man ihn aus dem Turm hinausgeworfen, und nichts hatte seine trostlose Einsamkeit lindern können.
Einsam, einsam, mein ganzes Leben allein. Und ich hätte mir nie träumen lassen… Ellemir, meine Verwandte, noch ein Kind, nichts als ein kleines Mädchen…
Damon erhob sich rasch von seinem Bett, ging ans Fenster und blickte in den Hof hinunter. So jung war Ellemir gar nicht mehr. Sie war alt genug, um diese große Domäne zu verwalten, wenn ihre Verwandten beim Comyn-Rat waren. Sie musste fast zwanzig sein. Alt genug, einen Liebhaber zu haben, alt genug zu heiraten, wenn sie wollte. Sie war Comynara kraft eigenen Rechts und ihre eigene Herrin.
Aber jung genug, um etwas Besseres zu verdienen als mich, der ich von Furcht und Unfähigkeit zerrissen bin …
Hatte sie je an ihn als Liebhaber gedacht? Hatte sie vielleicht schon andere Liebhaber gehabt? Er hoffte es. Denn er wollte von Ellemir nicht die Verliebtheit eines unerweckten Mädchens, die sich leicht verflüchtigen konnte, wenn sie andere Männer kennen lernte. Sie sollte sich bewusst für ihn entscheiden, aufgrund ihrer Erfahrung mit Männern. Er überlegte, dass ihr als Zwillingsschwester einer Bewahrerin etwas von Callistas anerzogener Gleichgültigkeit Männern gegenüber angeflogen sein mochte.
Auf jeden Fall waren jetzt zwischen ihnen Tatsachen geschaffen, denen es ins Gesicht zu sehen galt. Die gegenseitige fast sexuelle Einstimmung war etwas, das sie nicht länger ignorieren konnten, und natürlich lag auch kein Grund vor, es zu ignorieren. Ihre Fähigkeit, bei der vor ihnen liegenden Aufgabe zusammenzuarbeiten, wurde dadurch sogar gesteigert.
Sie mussten Callista finden, und der Rapport zwischen ihnen würde ihnen Kraft geben. Danach – nun, es gelang ihnen wohl nie mehr, sich voneinander zu lösen. Mit leichtem Lächeln sagte Damon sich, dass sie wahrscheinlich würden heiraten müssen; eine Trennung nach einem so engen telepathischen Kontakt war nicht mehr vorstellbar. Ihm sollte es recht sein, wenn nur Ellemir nicht aus irgendeinem Grund zu unglücklich darüber war.
Er stieg die Treppe hinunter und grübelte immer noch, aber in dem Augenblick, als er Ellemir in der Großen Halle sah, verflogen alle Bedenken. Noch ehe sie den ernsten Blick zu ihm hob, erkannte er, dass auch sie all dies überdacht und akzeptiert hatte. Sie ließ ihre Handarbeit fallen, lief ihm entgegen und schmiegte sich wortlos in seine Arme. Vor Erleichterung holte er tief Atem. Nach langer Zeit, in der keiner von ihnen laut sprach und sie nur, die Finger ineinander verflochten, vor dem Feuer standen, fragte er: „Es
Weitere Kostenlose Bücher