Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
und brachte eine Einladung an Sanchia und mich, sie zu besuchen. Vermutlich haben wir das Don Miguel zu verdanken. Mir widerstrebte es, die Einladung anzunehmen, doch die Oberin sagte, wir müssten hinfahren. Salomé sei eine große Wohltäterin des Klosters und es sei unhöflich, eine Einladung abzulehnen, um die man sich zunächst bemüht habe. Ich gestehe, dass es eine Erleichterung sein wird, das Kloster hinter uns zu lassen. Es ist ein trister Ort, voller Trauer um jene, die an der Epidemie gestorben sind, während jene, die sich ansteckten und überlebten, schreckliche Narben davongetragen haben – eine stete Mahnung, so sagt die Oberin, sich gegen Eitelkeit zu verwahren.
Eine Kutsche mit einem Gespann aus schönen weißen Maultieren und mit dem Wappen der Familie Aguilar geschmückt kam, um uns abzuholen. Ein Kutscher, zwei Lakaien, ein Dienstmädchen, eine bewaffnete Wache und die Witwe eines spanischen Kapitäns als Anstandsdame sollten uns begleiten. Wieder packten Sanchia und ich unsere Kleider ein, doch das Herz war uns so schwer, dass wir keine Freude an unseren feinen Sachen hatten.
KAPITEL 28
Aus der Chronik der Sors Santas de Jes ú s, aus der Feder von Esperanza, auf der Hazienda der Sonne und des Mondes, Januar 1554
Salomés Zuhause, die Hazienda der Sonne und des Mondes, liegt eine Dreitagesreise entfernt. So wie Salomé und ihr Mann vereinigt das Haus zwei Welten in sich, die spanische und die einheimische. Es steht auf den Ruinen eines Inka-Palastes und Salomé erzählte mir, dass dies einer von vielen Palästen im Besitz der Familie ihres Mannes war. Nachdem er bei einem schweren Erdbeben zerstört wurde, verwendete man die Steine, um ihn in einem spanisch anmutenden Stil wieder aufzubauen, um einen Innenhof mit einem Springbrunnen herum. Salomé ist keine feine spanische Dame wie die Gattinnen der Kolonisten; sie ist eine gut aussehende, nachdenkliche Frau, die mit dem Haus und der Landschaft um sie herum eins zu sein scheint.
Neben dem Tor steht eine Familienkapelle mit einem steinernen Altar, einem gleißenden, aus Gold und Silber gefertigten Altarschrein und hölzernen Standbildern, die Heilige mit dem typischen Gesicht der Einheimischen darstellen. Das Haus selbst ist groß und niedrig gebaut. Überall sieht man wollene Webstücke in herrlichen Farben, die unseren Wandteppichen ähnlich sind und die mir schon im Kloster aufgefallen waren, irdene Töpfe und andere Zeugnisse einheimischer Kunst, ebenso wie silberne Kerzenleuchter und das schwere geschnitzte Mobiliar, das man hier häufig antrifft. Ihr Haus ist ruhig, bequem und gut geführt. Ihre Sklaven und Dienstboten erledigen ihre Arbeit leise, ohne die hochfahrende Art, die ich andernorts beobachtet habe. Die Räume des Hauses gehen ineinander über, sie rahmen einen gekachelten Innenhof mit einem Springbrunnen und vielen Blumen ein. Als wir den Hof bewunderten, erzählte Salomé, einst habe es einen Garten ganz aus Gold und Silber gegeben, mit Blumen aus Edelsteinen. Doch sie selbst, so fügte sie lächelnd hinzu, zieht lebendige Dinge vor und kümmert sich eigenhändig um den Garten.
Sie hat nichts von der modischen Kolonialdame an sich. Über einem einfachen langen Baumwollkleid trägt Salomé eine Art Tunika aus feiner Wolle, wie man sie häufig bei den Einheimischen sieht. Es steht ihr sehr gut. Ihr Haar ist inzwischen fast grau und ihre traurigen Augen sind schön und tief. In ihrem Aussehen und ihrem Wesen ähnelt sie Sor Beatriz sehr. Was sie sagt, ist klug und wohlbedacht, wie bei Sor Beatriz.
In einem der Räume befindet sich eine kleine Bibliothek mit einem wunderbaren Blick auf die Berge. Sie verbringt einen guten Teil des Tages dort, liest, betet und schreibt Briefe an ihre Tochter, Beatriz, und ihren Sohn, Fr. Mateo, in denen sie ihnen die Neuigkeiten der Hazienda mitteilt, die Geburten, die Todesfälle und die Eheschließungen der Diener, Sklaven und einheimischen Arbeiter auf dem Anwesen, über die Ernte und das Vieh und über ihren Garten. Die Bibliothek hatte ihr Mann für sie eingerichtet. Sie trägt ihre Witwenschaft mit stoischer Würde und spricht nicht über ihre Trauer, doch es ist auch nicht nötig. Die Trauer umgibt sie.
Sie hieß Sanchia und mich herzlich willkommen. Am Morgen nach unserer Ankunft, ging Sanchia hinaus, um sich ein aufregendes Spektakel im Garten anzusehen, wo die Gärtner versuchten, eine große Giftschlange zu fangen. An den meisten Tagen kümmerte sich Salomé um ihren Haushalt und
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