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Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Titel: Das Zeichen der Schwalbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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befahl, das Schiff sofort erneut zu wenden – es war eine Falle des Teufels, um Schiff und Besatzung geradewegs in die Hölle zu zerren. Die Matrosen rannten zu den Tauen und zogen mit aller Kraft, um die Segel zu wechseln. Gerade noch rechtzeitig änderte unser Schiff den Kurs und fuhr mit solcher Geschwindigkeit wieder auf die Meerenge zu, dass uns keine andere Wahl blieb, als hindurchzufahren.
    Langsam segelten wir an einer anderen Küste entlang, bis wir im Morgengrauen erwachten, weil das Schiff auf einen unter Wasser liegenden Felsen auflief und Wasser durch ein Loch im Rumpf strömte. Wir alle schöpften Wasser, so gut wir konnten. Bis zum Nachmittag blieben wir an Bord, um zu sehen, ob unsere Anwesenheit Eingeborene auf den Plan gerufen hatte. Es war schon viele Tage her, dass wir mehr als ein paar Bissen Fisch gegessen hatten, außerdem brauchten wir Frischwasser und waren müde vom Wasserschöpfen.
    Unter den Bäumen am Ende des Strandes fanden wir einen Bach. Die Bäume waren von Kletterpflanzen umrankt und die Luft war erfüllt von Schatten und Stille, von den Rufen von Vögeln, wie wir sie noch nie gesehen hatten, und von dem Geraschel von Tieren, die sich durchs Unterholz bewegten. Obwohl wir niemanden zu Gesicht bekamen, spürten wir in der Nähe des Baches, dass wir nicht allein waren, daher tranken wir hastig, füllten unsere Häute mit Wasser und kehrten eilig auf das Schiff zurück. Die Matrosen waren damit beschäftigt, Feuerholz aufzuschichten und Fische zu fangen, und überlegten, wie man am besten die Risse in den Segeln und das Loch im Rumpf flicken könnte. Der Schaden war größer, als sie vermutet hatten, und sie waren besorgt, weil die Reparatur Tage dauern würde. Sie luden unsere Bündel und Truhen aus und wir breiteten den angeschimmelten Inhalt aus, damit er an der Sonne trocknen und lüften konnte. Jenseits der Küste erhob sich ein schneebedeckter Berg hinter dem anderen in den strahlend blauen Himmel. Wären wir nicht so verängstigt und hungrig gewesen und hätten wir gewusst, wo wir waren, so wäre es ein atemberaubender Anblick gewesen, doch inzwischen fühlten wir uns alle recht mutlos.
    Die Sonne ging allmählich unter und wir Frauen liefen hastig hin und her und sammelten Feuerholz am Waldrand. Wir bemerkten nicht, dass sich die Krieger näherten. Als wir aufblickten, hatten sie uns schon eingekreist.
    Es waren stattliche, große und muskulöse Männer mit dunklem Haar und tiefbrauner Haut, bartlos. Sie trugen eine Art Uniform oder Livree: einheitliche Tuniken und Stoffbahnen, die sie zu einem Turban um den Kopf gewickelt hatten, wie es die Muslime tun. Der Anführer war der größte in der Gruppe. Er sah gut aus mit seinen scharf geschnittenen Zügen und einem Helm, der an einen Tierkopf mit gebleckten Zähnen erinnerte. Der Feuerschein flackerte über die bronzefarbene Haut der Männer, ihre Schilde und Speere mit goldenen Spitzen und die großen goldenen Scheiben, die wie Sonnen an den Ohren des Anführers hingen. Sie boten einen furchterregenden Anblick, doch sie starrten uns einfach nur an und machten keine Anstalten, uns anzugreifen oder zu verletzen. Stattdessen wiesen sie auf das Schiff und schienen etwas zu beratschlagen. Wenn der Anführer uns ansah, wie wir da kauerten, spürte ich jedoch Zurückhaltung und Höflichkeit. Seine Augen waren dunkel und tief und seine Brust war breit. Sor María Manuela stieß mich schließlich an und herrschte mich an: »Starrt ihn nicht so an, Salomé! Und macht den Mund zu!«
    Der Anführer und seine Männer umstellten die verschreckten Matrosen, die versuchten, Zeichen zu machen und zu zeigen, woher wir gekommen waren. Der Anführer wies mit dem Finger auf uns und die Matrosen schüttelten den Kopf und beteuerten wild gestikulierend, dass wir nicht ihre Frauen seien. Einer der Matrosen zeigte erst auf uns und dann in den Himmel, immer wieder. »Kniet nieder und betet, zeigt ihnen, was Nonnen normalerweise machen«, rief einer von ihnen uns zu. Also falteten wir mit übertriebener Frömmigkeit die Hände und neigten den Kopf. Wieder zeigte ein Matrose in den Himmel.
    Auch die Eingeborenen zeigten nach oben, direkt auf die untergehende Sonne. Die Matrosen nickten und zeigten erst auf uns und dann auf die Sonne. Sie zeigten auf sich, dann auf die anderen Männer und schüttelten den Kopf. Mit den Händen deuteten sie kleine Menschen an – vermutlich Kinder –, zeigten dann wieder auf uns und schüttelten erneut den Kopf. Die

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