Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Früchte, Gewürze und Mandeln als Gaben für die christlichen Feste zu bringen, während die Nonnen beteten, wenn die Abenzucars an Krankheiten litten oder die Frauen im Wochenbett lagen. Und sie ließen sie an der Medizin teilhaben, die sie mit so großem Geschick herstellten.
Obwohl sie sich kaum vorstellen konnte, dass es zwischen Nonnen und Ungläubigen derart enge und herzliche Beziehungen geben sollte, begann Isabelas erschrockene Miene zu weichen.
»Wenn Ihr mir nicht glaubt, so werdet Ihr in der Bibliothek Eures Vaters ein Buch finden, das beweist, dass ich die Wahrheit sage. Es sind die Erinnerungen eines ehrbaren christlichen Einsiedlers, eines wahrhaftigen Alten Christen wie Ihr es seid, der vor Hunderten von Jahren in den Bergen lebte und der die Nonnen des Klosters der Schwalben für ihre Gelehrsamkeit und ihre friedlichen Beziehungen zu ihren Nachbarn lobte.«
»Aber Ihr seid konvertiert und das ändert alles«, sagte Isabela traurig.
Alejandros Miene verfinsterte sich, als er ihr schilderte, dass er diesen Schritt nicht aus eigenem Willen getan hatte. Nach der Reconquista wurden ehemals mächtige und wohlhabende muslimische Familien wie die Abenzucars vor eine grausame Wahl gestellt: Taufe oder Exil und der Verlust aller Ländereien und all ihres Wohlstandes. Doch sein alter Vater hatte bestimmt, dass einige gehen und einige bleiben sollten. Mehrere Familien jüngerer Cousins waren nach Portugal geflohen, doch Alejandros Eltern, Brüder und Schwestern und ihre Familien mussten Christen werden und dort bleiben, um ihren Besitz zu schützen. Die Taufe war eine bloße Formalität. Die Abenzucars würden heimlich Moslems bleiben und auf bessere Zeiten hoffen.
Auf dem Gut seiner Eltern wurde eine Massentaufe der Familie und all ihrer Diener und der Bauern auf ihrem Besitz abgehalten. Eine betrübliche Notwendigkeit, hatte sein Vater angenommen, der sie jedoch nicht den geringsten Glauben zu schenken brauchten. Wie konnten sie sich ernsthaft der blasphemischen Anbetung dreier Götter verschreiben, statt Allah anzubeten, den einzigen Gott?
Die Abenzucars hatten jedoch nicht vorhergesehen, was die kirchlichen Autoritäten unternehmen würden, um ihre Konversion zu besiegeln. Alejandros Augen füllten sich mit Tränen und seine Stimme stockte. Nach der Taufzeremonie wurde eine große Gruppe von Leuten aus dem Tal, ihre Freunde und Nachbarn, Männer, Frauen, Kinder und Alte, zusammengetrieben und zu einem riesigen Berg aus Ästen und Zweigen geführt. Das Verbrechen, dessen sie sich schuldig gemacht hatten, wurde verlesen. Sie waren Akolythen, waren getauft, hatten aber heimlich die muslimischen Riten praktiziert. Die Abenzucars wurden gezwungen, das nachfolgende Glaubensgericht mitanzusehen, bei dem die angeklagten Ketzer vor ihren Augen bei lebendigem Leib verbrannt wurden. Ihre Schreie und ihre flehentlichen Bitten an Alejandros Vater, der machtlos dabeistehen musste, waren ein warnendes Beispiel für das, was falsche Christen zu erwarten hatten. Man machte ihnen klar, dass jene Feinde der Kirche als Feinde Spaniens bestraft würden. Und so habe Alejandro sich verpflichtet, Mönch zu werden, um jeden Argwohn gegen die Konversion der Abenzucars zu zerstreuen.
Was sollte Isabela nun tun? Alejandro sollte eigentlich der Todfeind eines jeden christlichen Spaniers sein. Doch ihr Herz übertönte das, was die Religion ihr eingebläut hatte, und außerdem erregte Alejandros Geschichte ihr Mitleid mit ihm und den armen Opfern.
»Gott ist groß! Ich liebe Euch. Verratet mich, wenn es sein muss. Mein Leben gehört Euch und Ihr könnt damit machen, was Ihr wollt.« Alejandro nahm ihre Hand und küsste die Innenseite ihres Handgelenks. Isabela dachte, sie würde in Ohnmacht fallen.
Die Gouvernante kam zurück und murmelte etwas über ihr Gedärm. Alejandro ließ Isabelas Hand los. »Euer Geheimnis ist sicher. Ich werde Euch nie verraten«, flüsterte Isabela hinter dem Rücken der Gouvernante. Sie sehnte sich danach, noch einmal Alejandros Lippen zu spüren.
Im Schulzimmer wagten sie nun kaum, einander anzusehen, so sehr waren sie sich der Anwesenheit des anderen bewusst. Immer öfter fand Alejandro es nötig, sich über Isabelas Schulter zu beugen und auf einen Absatz in einem Buch hinzuweisen. Isabela murmelte dann: »Meint Ihr diesen hier? Oder diesen?« und zeigte an irgendeine Stelle auf der Seite, nur um ihn so lange wie möglich in ihrer Nähe zu halten.
Und als eines Tages niemand außer ihnen und der
Weitere Kostenlose Bücher