Das Zeichen Des Dunklen Gottes
trat aus dem Zelt und hob den Kopf. Die Wolken zogen in dichten Schwaden den Himmel entlang und hoben sich durch ihre graue Farbe vom hereinbrechenden Dunkel der Nacht ab. Aus weiter Ferne grollte Donner.
Unscheinbar und klein glitzerten die Sterne am Himmel, selbst die Monde schienen sich mit ihrer leuchtenden Kraft zurückzuhalten. Dafür erstrahlten die Augen Tzulans umso roter. Wann immer sich ein grauer Schleier vor die Zwillingssterne legte, hatte es den Anschein, als würde ein Ungeheuer aus den Wolken gierig auf die Kämpfer des Geeinten Heeres hinabschauen, um sie alle zu verschlingen.
Feuchter, kühler Nebel zog auf, der die Geräusche der vielen Tausend Menschen aus dem Lager dämpfte. Selbst die gewaltigen Repolfälle klangen leiser als sonst.
Mit einem leichten Schmatzen versanken Nerestros Knöchel im Schlamm, das Gewicht seiner schweren Vollrüstung drückte ihn zusätzlich nach unten. Keine gute Ausgangslage für die schwere Reiterei, dachte er und stakste hinüber zu dem Zelt, in dem die Pferde Unterkunft fanden.
Wie er es angeordnet hatte, stand sein Hengst gesattelt bereit. Mithilfe dreier Knechte und eines Flaschenzugs gelangte er auf den Pferderücken und trabte die Linie der Wachen ab, die gespannte Doppelarmbrust in der Rechten haltend. Rastlosigkeit, nicht die Pflicht trieb ihn hinaus.
Seine Aufmerksamkeit wurde durch die Gedanken an die bevorstehende Schlacht abgelenkt. Der Großmeister hatte die Nachricht verkündet, und nun erwartete das Geeinte Heer, dass die Orden mit wehenden Bannern gegen die Tzulandrier anritten.
Doch so leicht würde es nicht werden. Nicht einmal ein Schlachtplan existierte, auch wenn König Tarm sich alle Mühe gab.
Nach allem, was man in Erfahrung gebracht hatte, war aus dem Gegner ein disziplinierter Widersacher geworden, nicht mehr der blindwütig heranstürmende Haufen, wie er ihn bei Dujulev erlebt hatte. Der Stratege Sinureds oder des Kabcar, Varész, teilte sie in Einheiten von mehreren tausend Mann auf, die in sich wiederum in kleinere Gruppen zerfielen, ähnlich wie bei den Ordensrittern. Ein Signalsystem aus farbigen Wimpeln sorgte für die exakte Führung des noch so kleinen Armeeteils.
Das Geeinte Heer dagegen krankte an uneinheitlichen Kommandos, Erfahrungs und Ausbildungsmangel, persönlichen Animositäten und unter dem festen Glauben, Ulldrael der Gerechte würde eingreifen, wenn sich wider Erwarten ein Unglück ereignen sollte, welches das vermeintlich sichere Kriegsgeschick wenden könnte.
Die Hügeltaktik war gegen eine Überzahl das beste Mittel, das wusste Nerestro noch sehr gut aus eigener Erinnerung. Bis eine Bresche in die mit Sicherheit längst aufgebaute Verteidigung geschlagen worden war, müssten Hunderte ihr Leben lassen.
Er hielt das Streitross an und klopfte ihm beruhigend auf den muskulösen Hals. Der Duft von in Kräutern gegartem Fleisch stieg ihm in die Nase. Nach einem kurzen Blick über die vom Schein der Lagerfeuer erhellten Zelte der Ilfariten trabte er wieder an.
Diesmal schweifte er innerlich zu dem Albtraum zurück, den er nur mit eiserner Disziplin überwunden hatte. Die Toten, die ihn nach seinem Sturz ins Wasser ständig besuchten, kehrten nicht mehr zurück. Weder sein Vater noch gefallene Ordensbrüder gaben sich die Ehre, seitdem er aus einem langen Schlaf erwacht war.
Herodin machte die von ihm verabreichten Mittel dafür verantwortlich, aber Nerestro erinnerte sich sehr deutlich an die bernsteinfarbenen Augen seiner einstigen Gefährtin, die ihn voller Güte und Sorge angeblickt hatten. Er wusste genau, wem sein Dank gelten musste, den er aber nicht gewähren durfte.
»Belkala«, seufzte er leise und sah zu den Sternen empor, als könnte er ihr Gesicht dort entdecken.
Er hatte sie zum zweiten Mal in seinem Leben verloren. Zuerst in Granburg, doch sie war zu ihm zurückgekehrt. Dann musste Kensustria ausgerechnet einen Krieg gegen das Kaiserreich Angor beginnen, und damit durfte er keine Frau an seiner Seite dulden, deren Volk gegen die Schöpfung des Gottes, dem er einst sein Leben angeschworen hatte, kämpfte.
Selbst wenn das alles nicht so gekommen wäre, sie hatte ihn belogen, von Anfang an. Sie war niemals eine harmlose Priesterin gewesen, sondern eine Ausgestoßene, die zur Lästerin geworden war. Und nur Angor wusste, welcher Grund sie damals dazu veranlasst hatte, Matuc und ihn zu begleiten.
Dennoch wünschte der Ritter sich, sie in seinen Armen halten zu dürfen, obwohl er sich gleichzeitig
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