Das Zeichen Des Dunklen Gottes
noch immer die Frage im Raum«, meldete sich der Serusier laut zu Wort, »ob wir den Gegner zuerst angreifen sollten. Wenn er wirklich über Waffen verfügt, die jeden Zahlennachteil ausgleichen, müssen wir ihn überraschen und dürfen ihm keine Gelegenheit geben, sie in aller Ruhe aufzustellen, oder was immer man mit diesen ›Bomben‹ macht.«
Zustimmendes Gemurmel setzte ein.
»Wenn wir das tun, werden wir uns in der Geschichte den Vorwurf gefallen lassen müssen, die Schuldigen gewesen zu sein«, gab Telisor zu bedenken.
»Der Sieger schreibt die Geschichte«, wehrte der hustrabanische Befehlshaber unwirsch ab. »Und momentan schreibt der Kabcar mächtig Geschichte, wenn ich in mein eigenes Land blicke. Dazu hatte er kein Recht, aber er rechtfertigt seine Vorgehensweise so geschickt, dass keiner es wagte, ihn dafür zur Verantwortung zu ziehen. Wenn wir nun zögern, kann es uns schlecht bekommen.«
Hetrál betrat das Versammlungszelt, kniete sich vor Tarm nieder und erhob sich auf dessen Zeichen hin. Erfreut über das Wiedersehen, packte der König den Meisterschützen bei den Oberarmen, dann schlug er ihm auf die Schulter. »Euch wieder zu sehen ist eine wahre Freude für mein altes Herz. In der Stunde einer schweren Entscheidung seid Ihr mir herzlich willkommen, lieber Hetrál.« Er ließ den Blick an der Kleidung des Stummen herabgleiten. »Ihr seid völlig abgemagert. War der schwere Marsch so kräftezehrend? Und Eure Augen haben nie ernster und bitterer geschaut! Was habt Ihr gesehen in der Verbotenen Stadt?«
Hetrál klatschte in die Hände, und vier Männer kamen herein. Nach einer kurzen Vorstellung begannen sie auf Geheiß König Tarms mit der Schilderung ihrer Erlebnisse, angefangen bei ihrer Entführung durch Sinured in Borasgotan und der Fahrt mit der fliegenden Galeere des Kriegsfürsten über die Sklavenarbeit für die Kreaturen und die Opferungen der Frauen zu Ehren Tzulans in der Verbotenen Stadt bis hin zur abenteuerlichen Befreiung durch die turîtischen Soldaten, angeführt vom Meisterschützen, der damit gegen den Befehl des Kabcar gehandelt hatte.
Ihre aufwühlenden Erzählungen wurden von den Mächtigen nicht ein einziges Mal unterbrochen. Selbst wenn einer der Redner stockte, um sich zu sammeln, weil ihm die Geschehnisse noch immer präsent waren, erhob niemand die Stimme. Hetrál erklärte die neue Gesetzeslage, die in Tarpol und Tûris bezüglich der Bestien herrschte.
Als die Lampen entzündet wurden und der späte Nachmittag dämmerte, endeten die Berichte.
»Nun denn. Es wird wohl niemand einen Einwand haben, wenn ich in den nächsten Tagen den Angriffsbefehl für das Geeinte Heer ausspreche?« König Tarm sah in die bewegten Gesichter des Gremiums. »Wohin Ulldart sonst steuert, wissen wir nun nur allzu gut.« Er ließ die Kelche mit Wein füllen. »Trinken wir auf den bevorstehenden bedeutenden Sieg unserer Armee, die einzig in den Kampf zieht, um dem Guten zum Sieg zu verhelfen, bevor weiteres Böses geschehen kann.« Die Becher wurden in einem Zug geleert und davongeschleudert. »So, wie diese Pokale zu Boden stürzen, werden die Krieger Sinureds fallen.«
Telisor war der Einzige, der sein Gefäß noch in der Hand hielt und es gedankenverloren hin und her drehte. »Mit Verlaub, mein König, aber ich werde nicht eher schlafen können, bevor ich nicht Gewissheit über den Verbleib der zweitausend Krieger habe. Ich schreibe sie noch nicht ab.« Er stellte den Becher auf die Karte. »Der Kriegsrat gebe mir die Erlaubnis, mit ein paar Männern nach Bardri¢s Feldherr zu sehen. Ich bitte euch darum.«
Tarm schaute in die Runde. »Schaden wird es wohl nicht, Sohn. Hetrál wird dich, nachdem er sich ein wenig ausgeruht hat, begleiten.«
Der Turît verneigte sich und nickte Telisor zu. Beide verließen in Eile das Zelt. Dabei streifte der Umhang des Königssohns den abgestellten Kelch und riss ihn um.
Blutroter Wein ergoss sich über die Landkarte und floss über den Punkt, an dem sich das Lager des Geeinten Heeres befand.
Nachdenklich betrachtete der K’Tar Tur das Missgeschick. »Das ist ein schlechtes Omen. Wenn es stimmt, was die Karte zeigt, werden wir von rotem Wein hinweggespült«, meinte er leise.
»Ha, keine der unangenehmsten Todesarten, wie ich meine«, lachte der Serusier und ließ einen neuen Krug bringen. »Trinken wir auf den Sieg! Mögen die Tzulandrier wie die Fliegen sterben. Und wie der Kabcar so schön sagte: keine Gefangenen!«
Nerestro von Kuraschka
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