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Das Zeichen des fremden Ritters

Das Zeichen des fremden Ritters

Titel: Das Zeichen des fremden Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Sie konnte an ihrem Gesicht sehen, welche Gedanken ihr durch den Kopf schossen. Diese bittere Pille würde sie der Silberschmiedin und der Tuchhändlerin zu schlucken geben! Ihre Tochter ging auf der Burg ein und aus und war sogar mit dem Grafensohn befreundet! Das konnte nicht jede Mutter in Erlenburg von sich behaupten. Schon gar nicht ihre Nachbarinnen. Krippenspiele wurden da ja völlig unwichtig! Obwohl das immer noch an ihr nagte. Adelgunde erwachte aus ihren Träumereien und rief: »Jetzt aber schnell! Einen Grafensohn lässt man nicht warten! Und komm vor der Dunkelheit zurück. Heute sind die Geister unterwegs!«
    Es war der letzte Tag im Dezember. Die schlimmste der Raunächte erwartete sie! Adelgunde hatte an die |86| Vordertür und zur Sicherheit auch an die hintere Tür zum Garten ein Kreuz malen lassen. Die Magd hatte das ganze Haus säubern müssen und Adelgunde hatte persönlich alle Zimmer ausgeräuchert und mit Weihwasser besprengt. So leicht würden die Geister der Raunacht sie nicht erschrecken!
    Agnes nickte und lief rasch aus dem Haus. Draußen im Schnee stapften Jakob und Hannes von einem Bein auf das andere.
    »Wo bleibst du denn so lange!«, rief Jakob. »Da, wo meine Zehen waren, sind jetzt Eisklumpen!«
    »Ich musste noch meine Mutter überreden«, antwortete Agnes. »Aber weil ich zur Burg gehe, gibt es diesmal keine Probleme. Was ist denn los?«
    »Der Fremde hat kein Fieber mehr und spricht endlich!«, antwortete Hannes aufgeregt.
    Drei Tage waren seit dem Zwischenfall im Burghof vergangen. Der Fremde hatte einen Rückfall erlitten. Tag und Nacht war er abwechselnd von Gisbert, Gottfried und Katharina gepflegt worden und hatte sich rasch erholt. Graf Wilhelm hatte sich regelmäßig nach ihm erkundigt und ihm als seinem Gast auch ein Gemach in einem anderen Teil der Burg angeboten. Aber der Fremde hatte dankend abgelehnt. Er fühlte sich sicherer, wenn er nicht in der Nähe des französischen Grafen war, hatte er gesagt. Und heute war er zum ersten Mal beim kurzen Mittagsmahl in der Halle gewesen.
    »Und was hat Graf Guy da gemacht?«, wollte Agnes besorgt wissen.
    |87| »Eigentlich nichts«, antwortete Hannes. »Er hat kein Wort gesagt und böse geguckt, aber er hat ihn in Ruhe gelassen, weil sie in der Halle waren. Das hat er Graf Wilhelm ja schon beim Weihnachtsmahl versprochen.«
    »Das wundert mich aber!«, sagte Jakob. »Er ist doch so wütend geworden, als der Fremde in den Burghof kam.«
    »Konrad war auch ziemlich beunruhigt, als der Graf den Fremden an seinen Tisch gebeten hat«, erzählte Hannes. »Aber alles war friedlich. Und stellt euch vor, er ist übrigens tatsächlich ein Ritter! Er heißt Sir Thomas.«
    »Und was bedeutet der Stern?«, fragte Agnes gespannt. »Hat er was dazu gesagt?«
    Hannes zuckte die Schultern. »Nein. Aber er trennt sich offenbar nie von seinem Beutel mit dem Lederetui. Seit er wieder gesund ist, schleppt er ihn dauernd mit sich herum. Er hatte ihn sogar beim Essen dabei.«
    »Wenn wir nur wüssten, was drin ist!«, jammerte Agnes.
    »Wenn er Engländer ist, wieso hat er dann französisch gesprochen, als er das erste Mal aufgewacht ist?«, wollte Jakob wissen.
    »Und was macht er hier in Erlenburg?«, fragte Agnes. »Wo wollte er hin, wenn er auf der falschen Burg ist?«
    »Das weiß ich nicht. Das müssen wir ihn alles fragen. Wenn er uns überhaupt was dazu sagt!«
    Sie liefen über den Burghof und wollten zur Kammer gehen, da hörten sie Pierre in der Küche schimpfen.
    »Und auch noch ein Engländer! Ich ’abe ein Engländer mit meine Suppe ’ochge–   … wie sagt man?   … ’ochgepäppelt! Unglaublich. Aber wo’er konnte ich es wissen? |88| Er lag da und war krank. Dann man muss ’elfen wie ein gute Christenmensch.« Er zuckte die Schultern, probierte die Soße, die er für einen Braten zubereitet hatte, und verdrehte begeistert die Augen. »Köstlich! Was für ein glückliche Engländer, die darf probieren mein Soße!«
    Jakob und Agnes standen auf dem Gang und hörten grinsend zu. Aber Hannes drängte sie weiter. Pierre musste ihn nicht unbedingt entdecken. Ihm würde sicher sofort eine Arbeit für seinen Küchenjungen einfallen. Hannes konnte sein »vite, vite« schon hören!
    Da kam ihnen Konrad entgegen. »Habt ihr schon mit ihm gesprochen?«, fragte er unruhig und wies mit dem Kopf auf die Kammertür.
    »Nein, noch nicht«, antwortete Hannes.
    »Das wollten wir gerade tun«, sagte Agnes. »Kommt Ihr mit?«
    »Ja, unbedingt. Ich

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