Das Zeichen des fremden Ritters
Der Umhang fehlte, aber der Beutel lag immer noch neben seinem leeren Bett.
Besonders Konrads Vater machte sich Sorgen um Sir Thomas, aber an eine Entführung durch Geister glaubte er auch nicht. Er ließ seine Bediensteten jetzt außerhalb der Burg nach ihm suchen und hoffte, sie würden vielleicht eine Spur von ihm finden. Mehr konnte er nicht tun. Er versuchte nach besten Kräften, seine Gäste wieder aufzuheitern.
Und so hatte der Graf sich trotzallem an diesem strahlend schönen Wintertag etwas Besonderes für sie ausgedacht. Damit alle ein paar unbeschwerte Stunden verbringen konnten, schien ihm eine Falkenjagd das Beste zu sein. Daran nahmen auch die Edelfrauen gerne teil.
Außerdem konnten sie dabei auf angenehm höfische Art die Vorräte der Küche wieder füllen. Pierre hatte angedeutet, dass er für das Dreikönigsmahl ein paar Wildvögel sehr gut brauchen könnte.
Also hatte der Graf den Falkner angewiesen, seine vier Jagdfalken und die beiden Habichte aus dem Gehege zu holen.
Konrad war stolz darauf, dass er mitreiten durfte. Die Falkenjagd war nur etwas für diejenigen, die wussten, wie sie mit Greifvögeln umzugehen hatten. Graf Wilhelm hatte ihm gezeigt, was passieren konnte, wenn ein Falke falsch behandelt wurde. Er hackte einfach mit seinem |100| Schnabel zu! Oder wenn man den dick gepolsterten Lederhandschuh vergessen hatte, der bis zum Ellbogen reichte, dann gruben sich die messerscharfen Krallen direkt in den Arm. Die Verletzungen waren übel.
»Das passiert nur blutigen Anfängern«, hatte der Graf seinem Sohn erklärt. »Deshalb werden sie ja auch so genannt. Du wirst es noch früh genug erleben.«
Konrad hatte großen Respekt vor den Vögeln und traute sich die Jagd mit ihnen tatsächlich noch nicht zu. Aber dabei sein wollte er schon!
Er wollte gerade auf sein Pferd steigen, da tänzelte es erschrocken zur Seite. Ein Jagdgehilfe hatte einen großen Verschlag im Stall geöffnet. Acht Jagdhunde schossen bellend heraus und rannten aufgeregt an Konrad vorbei auf den Burghof. Er beruhigte sein Pferd, stieg auf und ritt hinter ihnen her. Draußen setzte der Falkner gerade Konrads Tante Amalia einen Jagdfalken auf den Handschuh. Der Falke hatte eine Haube auf dem Kopf. Sie reichte bis über die Augen und sah fast aus wie ein winziger Ritterhelm. Der Vogel wurde so nicht von den Bewegungen der Tiere und Menschen beunruhigt und hackte nicht um sich. An einem Lederriemen um seine Beine bimmelte ein Glöckchen. Konrad wusste, dass es manchmal schwierig war, die Falken und Habichte auf der Jagd wiederzufinden, wenn sie auf dem Boden blieben und anfingen, das Beutetier aufzufressen, so wie sie das auch als Wildvögel taten. Das sollten sie natürlich nicht. Durch das Glöckchen konnte man sie dann aufspüren.
|101| Und da ging es los! Der Zug setzte sich in Bewegung, die Hunde liefen bellend voraus. Die Jagdgesellschaft ritt durch das Burgtor am Fluss entlang und an der Stelle vorbei, wo Hannes den englischen Ritter gefunden hatte. Schließlich erreichte sie die verschneiten Felder. Hier und da schauten braun gefrorene Grasbüschel aus dem Schnee hervor. Aus der Ferne konnte man sie leicht mit Rebhühnern verwechseln. Auch das breite Band aus Schilf am Ufer des Flusses stand wie erstarrt, war aber ein gutes Versteck für Wildenten.
Graf Wilhelm nahm seinem Vogel die Haube ab, befreite ihn von der Fußfessel und ließ ihn hoch in die Luft steigen. Die Hunde warteten auf den Befehl des Jagdgehilfen und stoben davon, um die Wildvögel aufzustöbern. Eine ganze Schar Enten flog plötzlich aufgeschreckt in die Luft. Der Habicht des Grafen kreiste hoch über ihnen. Plötzlich schoss er in großer Geschwindigkeit herunter, schlug einen der Vögel im Flug und folgte ihm bis auf den Boden.
Greifvögel waren klug. Sie suchten sich immer die schwächsten Tiere aus einer solchen Schar aus. Konrad beobachtete, wie der Jagdgehilfe zu der Stelle rannte, wo die Vögel vom Himmel gestürzt waren. Der Habicht kreiste bereits wieder in der Luft, einer der Hunde kam dem Gehilfen mit der Jagdbeute im Maul schwanzwedelnd entgegen. Der Gehilfe steckte sie in seinen Beutel und lief wieder zu den Reitern zurück. Die Hunde hatten einen Fasan aufgespürt!
|102| Ein paar Stunden später ritt die Jagdgesellschaft zufrieden in den Burghof. Fasane, Rebhühner, Wachteln und sogar einen Kranich schleppten die Jagdgehilfen zum Vorratshaus neben den Stallungen. Der Falkner brachte die Jagdvögel in ihr Gehege und auch die
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