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Das Zeichen des fremden Ritters

Das Zeichen des fremden Ritters

Titel: Das Zeichen des fremden Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Burg zu haben, hatte ihm gefallen. Er hatte sogar versprochen, mit seinem Vater darüber zu reden!
    Hannes war so versunken in seine Gedanken, dass er fast die wispernden Stimmen nicht gehört hätte. Da war noch jemand in der Halle! Rasch blieb er auf der obersten |112| Stufe der Treppe stehen und presste sich an die Wand. Dann spähte er vorsichtig um die Ecke und erkannte im Licht der letzten Kerzen, wie Sir Thomas leise und aufgeregt mit Geoffrey redete. Aber Hannes verstand kein Wort, denn sie sprachen englisch. Er verstand nur, dass sie sich bei ihren Namen nannten, als würden sie sich schon lange kennen. Plötzlich fiel auch Graf Wilhelms Name. Was hatten sie vor? Wenn er sie doch nur verstehen könnte! Angestrengt versuchte er, wenigstens ihre Gesichter zu sehen. Vielleicht konnte er an ihren Mienen erkennen, ob es um etwas Gefährliches ging.
    Dann sah er etwas, das ihn maßlos erschreckte! Graf Wilhelm war tatsächlich in Gefahr! Und das nach allem, was er für den fremden Ritter getan hatte! Mit zitternden Knien rannte Hannes die Treppe wieder hinunter.
     
    Was hat Hannes so erschreckt?

8
Schauermärchen
    J akob stand hinter der Theke in den »Drei Kronen« und ahnte nichts davon, dass Hannes auf der Burg gerade den englischen Ritter wiedergefunden hatte. Unermüdlich schöpfte er mit einer Kelle Bier aus dem großen Fass in Krüge und zerbrach sich den Kopf darüber, wo der Ritter sein könnte oder warum er überhaupt verschwunden war. Vier Tage war das jetzt her!
    Köbes und Hilda gingen mit Krügen umher und füllten die leeren Becher ihrer Gäste. Die Schenke war bis zum letzten Platz besetzt. Es war Markttag in Erlenburg.
    Draußen froren die Händler an ihren Ständen. Käse und Brot, Fleisch und Fisch, Trockenobst, Kräuter, Honig und vieles mehr boten sie an. Überall neben den Ständen glühte Holzkohle in Kohlebecken, damit sie sich wenigstens die Hände wärmen konnten. Ein rauchiger Geruch lag über dem ganzen Marktplatz.
    Am Seiteneingang der Kirche standen wie immer Tisch und Stuhl des Schreibers. Mit klammen Fingern wartete er auf Kunden und hatte Tinte und Feder vorsichtshalber in die Nähe des Kohlebeckens neben seinem |115| Tisch gerückt. Falls jemand kam und ein Dokument geschrieben haben wollte, sollte die Tinte wenigstens nicht gefroren sein.
    Aber mit Kunden sah es schlecht aus. Jetzt am Nachmittag hatten die meisten Erlenburger ihre Geschäfte erledigt und sich zufrieden in Köbes’ warme Schenke gesetzt, um bei einem Becher von Hildas würzigem Bier ausgiebig zu schwatzen. Auch sie wussten natürlich noch nichts von Hannes’ Entdeckung im Verlies.
    Tagesgespräch war der Fremde auf Graf Wilhelms Burg, den Hannes im Schnee gefunden hatte. Dieser englische Ritter. Und jetzt war er weg. Vom Erdboden verschluckt. Man munkelte, die Geister hätten ihn geholt. Das konnte auch gut sein. Er war ja in der schlimmen Raunacht, der letzten Nacht im Dezember, verschwunden. Alle machten Vorschläge, was passiert sein könnte. Der Alte Franz, Nachtwächter der Stadt, saß dabei und hörte schmunzelnd zu. Und auch Jakob hinter der Theke war neugierig, was sie zu sagen hatten.
    »Oh ja, glaubt mir das ruhig!«, rief einer. »Die Wilde Jagd hat schon so manchen auf dem Gewissen.« »Vielleicht hat er die Geister geärgert!« »Ja, oder er hat sich nicht auf den Boden geworfen, als sie kamen. Das mögen sie auch nicht.« »Genau, und jetzt muss er in alle Ewigkeit mit ihnen ziehen!« »Er hat bestimmt nicht gewusst, was man machen muss. Er ist doch Engländer!« »Haben die keine Geister?« »Ach, am besten bleibt man zu Hause!« »Also ich«, sagte der Alte Franz und grinste über sein ganzes von Fältchen durchzogenes Gesicht, |116| »ich habe noch nie einen Geist gesehen. Und ich bin ja nun jede Nacht unterwegs. Da müsste mir doch wenigstens mal ein winziger Kobold begegnet sein, oder?«
    »Uhhh!«, gruselte sich ein besonders ängstlicher Gast. »In den Raunächten möchte ich deine Arbeit nicht haben!« »Bloß nicht! Und ich würde dann auch nicht gerne Wächter auf der Stadtmauer sein!« »Komisch. Die haben auch noch nie von Geistern erzählt!« »Das können sie ja auch nicht, wenn sie die ganze Nacht in einer Ecke hocken und schlafen!«, rief ein Spaßvogel.
    Lautes Gelächter antwortete ihm.
    »Sie haben nur zu viel Angst, darüber zu reden. Aber ich könnte euch wohl davon berichten.«
    Schiffer Klaus hatte mit Grabesstimme gesprochen. Alle wussten, wie gern er Geschichten

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