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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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den Sieg zu danken, wenn auch viele bei seinem demütigen Pilgergang fanden, Henrys Triumph sei in Wahrheit eine Niederlage gewesen. Wie viel Zeit hatte er vor Harfleurs Mauern verschwendet, wie hatte die Krankheit seine Armee geschwächt - und nun war das Kriegsjahr beinahe vorüber! Die englische Armee zog in die Stadt. Die Männer brannten ihr Lager nieder und zogen Katapulte und Kanonen durch das zertrümmerte Stadttor. Sir Johns Leute quartierten sich in einer Reihe Herbergen und Lagerhallen bei der Ringmauer des Hafens ein. Hook fand einen Platz auf dem Speicher eines Gasthauses namens Le Paon. « Le paon ist ein Vogel», hatte Melisande erklärt, «mit einem großen Schwanz!»Dazu hatte sie ihre Arme weit ausgebreitet.
    «Kein Vogel hat so einen großen Schwanz!», sagte Hook.
    « Le paon aber schon», beharrte sie.
    «Dann muss das ein französischer Vogel sein», sagte Hook, «kein englischer.»
    Harfleur war nun englisch. Das Sankt-Georgs-Kreuz hing am eingestürzten Turm der Kirche Saint-Martin, und die Bürger der Stadt, die so viel gelitten hatten, mussten noch mehr leiden.
    Sie wurden vertrieben. In der Stadt, so erklärte der König, würden Engländer angesiedelt, ebenso wie es in Calais geschehen war, und um Platz für diese neuen Bewohner zu schaffen, wurden über zweitausend Männer, Frauen und Kinder aus der Stadt vertrieben. Die Kranken lagen auf Karren, die anderen gingen zu Fuß, und zweihundert berittene Engländer bewachten diesen traurigen Zug entlang des Nordufers der Seine, um die Flüchtlinge vor ihren eigenen Landsleuten zu schützen, die sie sonst ausgeraubt und geschändet hätten. Feldkämpfer führten die Kolonne, und Bogenschützen flankierten sie.
    Auch Hook gehörte zu diesen Bogenschützen. Er hatte nun wieder seinen schwarzen Wallach Raker, der so unruhig war, dass er ständig gezügelt werden musste. Hooks Wappenrock war sauber gewaschen, wenn auch das Rot des Sankt-Georgs-Kreuzes zu einem trüben Rosa verblichen war. Unter dem Wappenrock trug er ein gutes Kettenhemd, das er einem französischen Toten abgenommen, und eine Kettenhaube, die ihm Sir John gegeben hatte, und darüber hatte er jetzt einen Bacinet gestülpt, der ebenfalls von einer Leiche stammte. Das war ein Helm mit breiter Krempe, die abwärtsgerichtete Schwerthiebe ablenken sollte, doch Hook hatte die Krempe an der rechten Seite abgehackt, weil sie ihn beim Spannen der Bogensehne störte. An seiner Seite hing das Schwert, sein Bogen stak in der Hülle über seiner Schulter, und seine Pfeiltasche war am Sattelknopf befestigt. Zu seiner Rechten, jenseits der Flüchtlinge, glitzerte der schmaler werdende Fluss in der Sonne, während sich auf der linken Seite verwaiste Weiden erstreckten. Die Herden waren schon lange von englischen Versorgungstrupps mitgenommen worden. Hinter den Weiden wellten sich sanfte, bewaldete Hügel noch im tiefen Grün des Sommers. Melisande war in Harfleur geblieben, doch Pater Christopher hatte darauf bestanden, die Vertriebenen zu begleiten. Er ritt Sir Johns großen Hengst Lucifer. Sir John wollte, dass das Pferd bewegt wurde, und Pater Christopher erfüllte ihm diesen Wunsch nur allzu gerne. «Ihr hättet nicht mitkommen sollen, Pater», stellte Hook fest.
    «Bist du jetzt auch noch unter die Quacksalber gegangen?»
    «Ihr solltet Euch Ruhe gönnen, Pater.»
    «Ruhe kann ich mir noch mehr als genug im Himmel gönnen», sagte Pater Christopher fröhlich. Zwar war er noch blass, doch er aß wieder richtig. Er trug seit seiner Genesung wieder häufiger eine Priesterkutte. «Diese Krankheit hat mich wirklich etwas erkennen lassen», sagte der Priester in scheinbarem Ernst.
    «Ach ja? Und was denn?»
    «Im Himmel, Hook, muss man bestimmt nicht scheißen.»
    Hook lachte. «Aber Frauen gibt es dort schon, oder nicht, Pater?»
    «In Hülle und Fülle, Hook, aber was ist, wenn das alles gute, sittsame Frauen sind?»
    «Ihr meint, die schlechten Frauen werden alle zum Teufel hinabfahren, Pater?»
    «Das wäre ein Grund zur Sorge», sagte Pater Christopher mit einem verschmitzten Lächeln, «aber ich vertraue darauf, dass Gott passende Vorkehrungen trifft.»Er grinste, froh, am Leben zu sein und unter der Septembersonne neben einer Brombeerhecke entlangzureiten, an der die reifen Früchte schimmerten. Der kratzende Ruf eines Wachtelkönigs hallte von den Hügeln wider. Kurz nach der Morgendämmerung, als die protestierenden Menschen aus Harfleur getrieben worden waren, war ein Hirsch mit

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