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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Weidenzweig verfangen hatte. Sie zerrte ihn herunter, und dann kämpfte sie sich durch das Gestrüpp und die Nesseln, die an der Uferböschung wuchsen. Sie zog den Wappenrock über den Kopf. Das nasse Leinen klebte kühl an ihrem Körper, aber es bedeckte ihre Nacktheit, und sie zwängte sich langsam zwischen Brombeerranken und Haselbüschen hindurch zurück Richtung Norden. Dann sah sie die Reiter.
    Es waren fünfzig oder sechzig Reiter, die westlich des Dorfes auf ihren Pferden saßen und das englische Lager beobachteten. Sie hatten kein Banner bei sich, und selbst wenn sie eines gehabt hätten, bezweifelte Melisande, dass ihr das Wappen bekannt gewesen wäre. Dennoch war sie sicher, dass die kleine englische Armee niemals so viele Reiter hinter der Kampflinie hätte abstellen können. Also mussten diese Reiter Franzosen sein, und Melisande, obgleich selbst Französin, sah in ihnen den Feind. Also duckte sie sich in ihrem hellen Wappenrock hinter einem Dorngebüsch.
    Dann überfiel sie eine neue Sorge. Der Wappenrock bedeckte ihre Blöße, doch er störte auch ihre Seelenruhe. «Vergib mit», betete sie zur Jungfrau, «dass ich den Wappenrock trage. Lass Nick am Leben.»
    Sie empfing keine Antwort. In ihrem Kopf herrschte vollkommene Stille.
    Sie hatte geschworen, den Wappenrock nicht zu tragen, hatte geglaubt, dass es Nick auf dem hochgelegenen Schlachtfeld den Tod bringen würde, doch nun trug sie das Wappen mit der Sonne und dem Falken, und die Jungfrau hatte ihr nicht geantwortet, und sie wusste, dass sie ihr Übereinkommen mit dem Himmel brach. Sie erschauerte vor Kälte und Nässe, und dann begann sie zu zittern.
    Nick würde sterben, sie wusste es bestimmt.
    Also zog sie den Wappenrock aus, damit Nick am Leben blieb.
    Immer noch kauerte sie hinter dem Dorngebüsch. Sie betete, nackt, frierend und verängstigt. Und im Norden, hinter den Reitern und hinter dem Dorf und hinter der Hügelkuppe, erhob sich neuer Schlachtenlärm.
    «Wir haben sie vorhin getötet», brüllte Thomas Evelgold, «und wir können sie auch jetzt töten! Töten für England!»
    «Für Wales!», rief ein Mann.
    «Für Sankt Georg!», kam es von einem anderen.
    «Für Sankt David!», gab der Waliser zurück, und mit diesen Schlachtrufen stürmten die Bogenschützen vor, um den neuen Feind anzugreifen. Sie hatten die erste französische Kampfeinheit niedergemacht, und einige Männer sahen sich schon durch die Gefangenen reich werden, die sie genommen hatten. Diese Gefangenen hatten die Helme abnehmen müssen, und ihre Hände waren mit Bogensehnen gefesselt worden. Dann hatte man sie hinter die aufgepflanzten Stöcke geführt, wo sie von einer Handvoll verwundeter Bogenschützen bewacht wurden. Und nun machten sich die Bogenschützen daran, das Feld mit weiteren Leichen zu übersäen und weitere Gefangene zu nehmen.
    Sie stürmten vor. Inzwischen wussten sie, wie man die Feldkämpfer zu Boden warf, die sich in dem zähen Schlamm nur schwerfällig bewegen konnten. Und so warfen sich die Bogenschützen in die Flanke der Franzosen und hieben auf sie ein, um einen neuen Wall aus Leichen vor sich zu haben, der die Feinde behindern würde. Die meisten töteten sie mit einem Messerstich durchs Auge, nachdem sie durch einen Schlag mit dem Hammer niedergeworfen worden waren. Das Feld wogte vor schlammbespritzten, stahlgerüsteten Männern, die mit schwerem Schritt auf die Bogenschützen zurückten und von den dichten Reihen der Männer hinter ihnen auf sie zugeschoben wurden, und die unbeholfenen Feldkämpfer stolperten über Leichen, ihre Helme wurden eingeschlagen, sie starben unter Messerstichen, und immer noch drängten sie weiter vor. Manche trugen goldene oder silberne Ketten um den Hals oder trugen Rüstungen, die mit ihrer Pracht vom Reichtum oder der hohen Stellung ihrer Träger kündeten, und diese Männer versuchten die Bogenschützen gefangen zu nehmen. Zuerst töteten sie die Gefolgsleute eines Reichen, und dann, wie Jagdhunde einen Hirsch einkreisen, verhöhnten und bedrohten sie den Mann, bis er seinen Handschuh auszog.
    «Komm her, du Bastard!», schrie Tom Scarlet einem Mann zu, auf dessen Wappenrock ein roter Schwan zu sehen war. «Los, komm!» Der Franzose beobachtete ihn, unter dem hochgeklappten Visier waren seine blauen Augen zu erkennen. Sein Helm war mit getriebenen Silberspiralen verziert und sein rotsamtener Schwertgürtel mit goldenen Rauten besetzt. Er suchte festen Tritt zwischen den Leichen, stieß mit seiner Lanze gegen

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