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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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und zog den ganzen Beutel mit. Sir Martin richtete sich leicht auf, um in sie zu stoßen. «Ave Maria» , sagte er. «Ave Maria» , und Melisande hievte den Beutel zwischen ihren und seinen Bauch und zog am Auslöser.
    Nichts geschah.
    Die Armbrust hatte vernachlässigt und voll gespannt in ihrem Beutel gelegen, und der Auslösemechanismus musste eingerostet sein. Sie schrie erneut. Sir Martins Speichel tropfte ihr aufs Gesicht, und sie krümmte wieder den Finger, und dieses Mal ging der Sperrhahn auf und gab die Sehne frei, und mit tückischem Zischen schoss der kurze, dicke Eisenbolzen über den stahlbeschlagenen Schaft und durch den Stoff des Beutels.
    Sir Martin schien von ihr hochgehoben zu werden. Er starrte sie mit aufgerissenen Augen an, den Mund zu einem entsetzten Schrei geöffnet.
    Dann brüllte er wie ein Eber beim Kastrieren. Blut spritzte aus seinem Schritt und floss in einem warmen Schwall über Melisandes Schenkel. Die Lederbefiederung des Bolzens ragte aus seiner Blase, während die rostige Spitze zwischen seinen Beinen hervorstand, und Melisande wand sich unter ihm weg, strampelte verzweifelt, und Sir Martins Hände krallten sich in ihr zerrissenes Gewand und hielten sie fest. Er schrie jetzt, klammerte sich an das Leinen, als könne es ihn retten, und Melisande riss sich von ihm los, schlüpfte ganz aus ihrem Gewand, und er krümmte sich auf dem feuchten Boden zusammen, wimmerte und keuchte und presste das zerrissene Leinen gegen seinen verwüsteten Schritt.
    «Ihr sterbt», sagte Melisande. «Ihr werdet verbluten.» Sie hockte sich neben ihn, und seine blutunterlaufenen Augen sahen verzweifelt zu ihr empor. «Und ich werde lachen, während Ihr sterbt», fügte sie hinzu.
    Ein weiterer Schrei wurde laut. Er kam aus dem Dorf, und Melisande sah Fremde beim Tross. Leute rannten auf die Karren zu, und noch mehr kamen vom Fluss her. Es waren Leute aus der Gegend, mit Hauen und Äxten und Beilen, Bauern, die plündern wollten. Ein Mann hatte sie entdeckt und kam mit dem gleichen lüsternen Gesichtsausdruck auf sie zu, den sie an Sir Martin gesehen hatte.
    Melisande war nackt.
    Dann fiel ihr der Wappenrock wieder ein.
    Sie warf einen letzten Blick auf Sir Martin, der im qualvollen Todeskampf lag, raffte ihren Beutel und seinen Lederbeutel mit den Münzen an sich, und dann sprang sie in den Fluss.
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    ***
    *****
    ***
    *
    S eigneur de Lanferelle fluchte. Zu seinen Füßen stöhnte und keuchte ein Mann mit eingedrücktem, blutverschmiertem Helmvisier. Sein linker Unterschenkel war abgehackt worden, und das Blut aus der Wunde floss in einem pulsierenden Strom auf die Leiche, die unter ihm lag. «Einen Priester», jammerte der Mann, «um der Liebe Christi willen, einen Priester.»
    «Es gibt hier keine Priester», sagte Lanferelle wütend. Er hatte seine Keule fallen lassen, denn die Kampfaxt war eine grausamere Waffe, und Grausamkeit musste er anwenden, wenn er die drohende Katastrophe in einen Sieg verwandeln wollte. Die Franzosen, entkräftet nach ihrer Schinderei auf dem morastigen Boden und halb blind hinter ihren geschlossenen Visieren, waren für die Engländer leichte Beute gewesen, doch Lanferelle wusste, dass die Gegner mit ihrer dünn besetzten Kampflinie keine geschlossene Reihe mehr zwischen den beiden Wäldern aufstellen konnten. An den Flanken der Kampflinie standen Bogenschützen, und die Bogenschützen hatten seiner Einschätzimg zufolge keine Pfeile mehr. Er klappte sein beschädigtes Visier auf, indem er das verbogene Metall über den Rand den Helmes zerrte. «Wir gehen nach links», sagte er.
    Keiner seiner Männer erwiderte etwas darauf. Die erste französische Kampfeinheit hatte sich etwa zwanzig Schritt zurückgezogen, und die Engländer waren, als gelte eine stille Vereinbarung, nicht nachgerückt. Beide Seiten waren erschöpft. Männer lehnten sich auf ihre Waffen, um zu Atem zu kommen. Zwischen den beiden Armeen erstreckte sich ein langgezogener Hügel aus Körpern in Rüstungen, es waren Tote und Verletzte. Viele von ihnen lagen übereinander. Die Rüstungen, die in der Nacht zuvor so lange abgerieben worden waren, bis sie strahlend glänzten, waren schartig aufgerissen, schlammverkrustet und blutig. Dazwischen lagen Banner im Schmutz, und einige Engländer sammelten die stolzen Flaggen auf und gaben sie hinter die Kampflinie weiter, wo die französischen Gefangenen zusammengetrieben wurden. Die Oriflamme, die als Zeichen des gnadenlosen Einsatzes über der Mitte der französischen

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