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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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ihre volle Schlagkraft behielt, doch die Belagerung Harfleurs dauerte viel länger als erwartet, und danach war Henrys Armee durch Dysenterie, im Volksmund auch Ruhr genannt, nahezu kampfunfähig.
    Die Erzählung von der Belagerung im Roman entspricht im Großen und Ganzen den historischen Tatsachen, auch wenn ich mir eine wesentliche Freiheit genommen habe: Sie besteht darin, dass ich eine Tunnelgrabung beim Leure-Tor eingefügt habe. An dieser Stelle gab es keinen solchen Tunnel, die Bodenstruktur war dafür nicht geeignet, und alle tatsächlich vorhandenen Stollen waren von den Einheiten des Dukes of Clarence gegraben worden, der Harfleur von Osten aus angriff. Die französischen Gegengrabungen vereitelten den Erfolg der englischen Grabungen, aber ich wollte einen - wenn vielleicht auch unzureichenden - Eindruck davon vermitteln, welchen Schrecken Männer ausgesetzt waren, die unter der Erde kämpften. Harfleur wurde großartig verteidigt, was zum großen Teil dem Garnisonsführer Raoul de Gaucourt anzurechnen ist. Sein Widerstand in den langen Tagen der Belagerung gab den Franzosen die Gelegenheit, eine viel größere Streitmacht gegen Henry aufzustellen, als es ihnen möglich gewesen wäre, wenn die Belagerung, sagen wir, Anfang September geendet hätte.
    Harfleur ergab sich schließlich und wurde von den Plünderungen und dem Grauen verschont, die dem Fall von Soissons 1414 gefolgt waren. Dies war ein weiteres Ereignis, das Europa erschüttert hatte, wenn es bei Soissons auch das barbarische Verhalten der französischen Armee gegenüber der eigenen Bevölkerung war, das den Schock auslöste. Es geht das Gerücht tun, dass englische Söldner sich für den Verrat der Stadt bezahlen ließen, womit die Reaktionen des erfundenen Sir Roger Pallaire erklärt sind. Doch im Hinblick auf die Schlacht von Agincourt lag die Bedeutung von Soissons bei den Schutzpatronen der Stadt, Sankt Crispin und Sankt Crispinian, deren Gedenktag in der Tat der 25. Oktober war. In großen Teilen Europas war man nämlich der Überzeugung, dass in den Ereignissen des Sankt-Crispin-Tags von 1415 die himmlische Rache für die grauenvollen Exzesse während der Plünderung von Soissons zu sehen sei.
    Der gesunde Menschenverstand legt nahe, dass Henry nach der Unterwerfung Harfleurs jeden Gedanken an einen weiteren Feldzug hätte aufgeben müssen. Er hätte einfach eine Garnison in der eroberten Hafenstadt abstellen und zurück nach England segeln können, doch ein solches Vorgehen wäre faktisch einer Niederlage gleichgekommen. So viel Geld eingesetzt und im Gegenzug nichts weiter als einen Hafen in der Normandie gewonnen zu haben hätte äußerst armselig gewirkt, und auch wenn die französischen Interessen durch den Verlust Harfleurs beeinträchtigt waren, so erhöhte der Besitz dieser Stadt Henrys Verhandlungsmacht nur unwesentlich. Zwar war sie nun englisch (und würde es zwanzig Jahre bleiben), aber ihre Eroberung hatte wertvolle Zeit gekostet. Zudem musste Henry durch die notwendige Besetzung der Garnison auf weitere Männer verzichten, sodass, als die Engländer ihren Vorstoß ins Inland Frankreichs unternahmen, nur die Hälfte der ursprünglichen Armee losziehen konnte. Dennoch entschied sich Henry für den Zug. Er lehnte den guten Rat ab, die Kampagne aufzugeben, und stellte seine kleine, von Krankheit geschwächte Armee vor die Aufgabe, von Harfleur nach Calais zu ziehen.
    Das schien zunächst keine allzu große Herausforderung zu sein. Die Entfernung beträgt etwa 190 Kilometer, und die Armee, sämtlich beritten, konnte damit rechnen, diese Strecke in ungefähr acht Tagen zu bewältigen. Es war kein Plünderungszug. Henry verfugte weder über die Ausrüstung noch über die Zeit, die befestigten Städte und Burgen am Weg zu belagern (in die alles Lohnenswerte gebracht worden war, als sich die Engländer näherten). Auch war der Zug keine übliche chevauchee , also einer der zerstörerischen Märsche der Engländer durch Frankreich, bei denen die Armeen alles Erreichbare verwüsteten, um die Franzosen dazu zu bringen, in die Schlacht zu ziehen. Ich bezweifle trotz Henrys glühender Überzeugung, er würde von Gott unterstützt, dass er die Franzosen zum Kampf reizen wollte, denn die Schwäche seiner Armee war ihm sicherlich bewusst. Wenn er den Kampf gesucht hätte, wäre es sinnvoller gewesen, direkt ins Inland vorzustoßen, doch stattdessen bewegte er sich an der Küste entlang. Es scheint mir so, als habe er den Franzosen «eine

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