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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Bogenschütze an der Befestigung war. Durch die Bresche, ungeachtet der Toten, die dort lagen, und der Verwundeten, die dort auf dem Boden krochen, stürmten immer mehr brüllende Männer. Die Nacht war erhellt vom Fackellicht, flammend rot, raucherfüllt, und hallte von Kriegsrufen wider. Da wurde Hook bewusst, dass ihm John Wilkinson zugerufen hatte, er solle weglaufen, doch im Eifer des Gefechts war dieser Ruf nicht bis zu seinem Verstand vorgedrungen.
    Jetzt aber verstand er. Hook ergriff seine Pfeiltasche und rannte los.
    Männer brüllten hinter ihm, als die Befestigung aus Weidenkörben endgültig einstürzte, und die Franzosen schwärmten über ihre Reste in die Stadt.
    Plötzlich verstand Hook, wie sich der Hirsch fühlt, wenn die Hunde in jedem Gebüsch stöbern und die Männer durchs Unterholz streifen und die Pfeile durchs Blätterdach schlagen. Er hatte sich oft gefragt, ob ein Tier wusste, was der Tod war. Sie kannten die Angst, und sie kannten den Widerstand, doch kannten sie die überwältigende Panik? Wussten sie, dass die letzten Augenblicke des Lebens gekommen waren, wenn sich die Jäger nähern und das Herz rast und der Verstand nicht aus noch ein weiß? Diese Panik empfand Hook jetzt und rannte. Zuerst lief er einfach nur fort. Die Glocken dröhnten immer noch, Hunde bellten, Männer brüllten Kriegsrufe, und Hörner wurden geblasen. Er rannte auf einen kleinen Platz, ein Geviert, auf dem gewöhnlich die Lederhändler ihre Häute anboten und der still und verlassen dalag, doch dann hörte er das Geräusch einer Armbrust, die ausgelöst wurde, und begriff, dass sich die Leute hinter verrammelten Türen in ihren Häusern versteckten. Polternder Lärm verriet, wo Soldaten diese verrammelten Türen eintraten. Geh zur Festung, dachte er und rannte in die Richtung, doch als er um eine Ecke kam, sah er, wie sich auf dem weiten Platz vor der Kathedrale Männer drängten, deren unbekannte Wappenröcke von den Fackeln beleuchtet wurden, die sie trugen, und er zog sich wieder zurück wie ein Hirsch, der vor den Hunden Deckung sucht. Hook beschloss, zur Kirche von Saint-Antoine-Le-Petit zu gehen, und rannte eine Gasse hinunter, bog in eine andere ab, lief über den ungeschützten Platz vor dem größten Nonnenkloster der Stadt, dann wandte er sich zu der Straße, in der das Wirtshaus Oie lag. Dort sah er noch mehr Männer in fremden Uniformen, und diese Männer versperrten ihm den Weg zur Kirche. Sie entdeckten ihn, Rufe wurden laut, und die Rufe verwandelten sich in triumphierendes Gebrüll, während sie auf ihn zustürmten, und Hook, verzweifelt wie ein todgeweihtes Tier, lief in eine Gasse, kletterte auf die Mauer, mit der die Gasse plötzlich endete, sprang auf der anderen Seite in einen kleinen, nach Jauche stinkenden Hof, stieg über eine zweite Mauer, und dort, während von allen Seiten Rufe zu ihm drangen und er vor Angst zitterte, sank er in einer dunklen Ecke zusammen und erwartete sein Ende.
    Ein gehetzter Hirsch verhielt sich ebenso. Wenn er keinen Ausweg sah, erstarrte er und wartete bebend auf den Tod, dessen unausweichliches Kommen er spürte. Und jetzt zitterte Hook. Besser, du bringst dich selber um, hatte John Wilkinson gesagt, als dich von den Franzosen schnappen zu lassen. Also tastete Hook nach seinem Messer, doch er konnte es nicht ziehen. Er konnte sich nicht umbringen, und so wartete er darauf, dass man ihn umbrachte.
    Dann wurde ihm bewusst, dass seine Verfolger die Jagd offenbar aufgegeben hatten. Es gab in Soissons so viel Beute zu machen und so viele Menschen zu töten, dass sie sich um einen einzelnen Flüchtigen nicht allzu sehr mühten. Hook, der allmählich wieder klarer denken konnte, stellte fest, dass er für den Moment eine Zuflucht gefunden hatte. Er war in einen der Hinterhöfe der Oie geraten, in dem Bierfässer ausgewaschen und instand gesetzt wurden. Plötzlich wurde eine rückwärtige Tür des Gasthauses geöffnet, und eine lodernde Fackel beleuchtete die Arbeitsböcke und Dauben und Fässer. Ein Mann ließ seinen Blick durch den Hof schweifen, machte eine gelangweilte Bemerkung und ging ins Gasthaus zurück, in dem eine Frau aufschrie.
    Hook blieb, wo er war. Er wagte nicht, sich zu rühren. Durch die Stadt hallten nun Frauenschreie, heiseres Männerlachen und das Weinen von Kindern. Eine Katze strich an ihm vorbei. Die Kirchenglocken läuteten schon lange nicht mehr. Er wusste, dass er nicht bleiben konnte, wo er war. In der Morgendämmerung würde man ihn

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