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Das Zeit-Tippen

Das Zeit-Tippen

Titel: Das Zeit-Tippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Dann
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sagte Esme. „Was meinst du dazu?“
    „Ich möchte jetzt mit ihm sprechen.“
    „Solltest du nicht lieber zu deiner Gouvernante zurückgehen?“ fragte Stephen, der aufgestanden war und Esme bedeutete, das auch zu tun. Hier konnte sie keine private Sphäre finden.
    „Ach Quatsch“, sage Michael. „Sie ist nicht meine Gouvernante, sondern meine Schwester.“ Dann zeigte er Stephen eine Grimasse; er vermochte, seine Lippen zu verzerren, indem er die rechte Seite zur linken zog und die linke zur rechten, als wären sie aus Gummi. Stephen und Esme verließen das Cafe und gingen zum Oberdeck hinauf, und Michael folgte ihnen.
    Das Oberdeck war wenigstens nicht zu überlaufen; es war frisch draußen, und es wehte eine kühle Brise. Vor sich konnten Stephen und Esme die vier gewaltigen Schornsteine des Schiffes zu ihrer Linken und eine Reihe von vier Rettungsbooten zu ihrer Rechten sehen. Der Ozean war eine glatte dunkelgrüne Fläche, die zum Horizont hin blau wurde. Der Himmel war leer, bis auf ein riesiges Atomluftschiff, das hoch über der Titanic schwebte… das war die lenkbare California, eine französische Linienmaschine, die zweitausend Passagiere befördern konnte.
    „Sind Sie beide verheiratet?“ fragte Michael.
    „Nein“, sagte Esme schroff. „Wenigstens noch nicht.“ Und der Gedanke, daß sie ihn wirklich haben wollte, erfüllte Stephen mit Freude. Eigentlich war kein Grund dafür vorhanden, denn er konnte jede junge Frau bekommen, wenn er wollte. Warum gerade Esme? Einfach deshalb, weil sie im Augenblick perfekt war.
    „Sie sind recht hübsch“, sagte Michael zu Esme.
    „Vielen Dank“, erwiderte Esme und erwärmte sich für ihn. „Ich mag dich auch.“
    „Bleiben Sie auf dem Schiff und sterben Sie, wenn es sinkt?“
    „Nein!“ sagte Esme bestürzt.
    „Und wie steht’s mit Ihrem Freund?“
    „Meinst du Poppa?“
    Entrüstet sagte der Junge: „Nein, ihn“, wobei er Stephen schief ansah.
    „Also das weiß ich nicht“, sagte Esme errötend. „Haben Sie für ein Rettungsboot optiert, Stephen?“
    „Aber natürlich.“
    „Also wir werden auf diesem Schiff sterben.“
    „Sei nicht albern“, sagte Esme.
    „Bestimmt.“
    „Wer ist wir?“ fragte Stephen.
    „Meine Schwester und ich. Wir haben einen Pakt geschlossen, mit dem Schiff unterzugehen.“
    „Das glaube ich dir nicht“, sagte Esme. Sie blieb neben einem Rettungsboot stehen, stellte das Kästchen mit Poppa auf die Reling und schaute hinab zu dem Schaum, der von der Seite des Schiffes davonkräuselte.
    „Er will uns damit nur ködern“, sagte Stephen. „Auf alle Fälle ist er zu jung, um so eine Entscheidung zu treffen, und seine Schwester, wenn sie seine Schwester ist, könnte so etwas nicht für ihn beschließen, nicht einmal, wenn sie sein Vormund wäre. Es wäre rechtswidrig.“
    „Wir sind auf hoher See“, nörgelte Michael, wie es Kinder eben zu tun pflegen. „Ich werde morgen die Einzelheiten meines Ablebens mit Poppa besprechen. Ich bin sicher, daß er in diesen Dingen bewanderter ist als Sie.“
    „Solltest du jetzt nicht lieber zu deiner Schwester zurückgehen?“ fragte Stephen.
    Michael zeigte ihm seine gummilippige Grimasse und ging, wobei er hinten an seiner Hose herumzupfte, als hätte sich sein Unterzeug verschoben. Er drehte sich nur um, um Esme zum Abschied zu winken, die ihm eine Kußhand zuwarf.
    „Ein intelligenter Bengel“, sagte Stephen, um sich einzuschmeicheln.
    Aber Esme schaute so drein, als hätte sie Stephen und den kleinen Jungen völlig vergessen. Sie starrte das Kästchen an, während Tränen aus ihren Augen kullerten.
    „Esme?“
    „Ich habe ihn geliebt, und jetzt ist er tot“, sagte sie. Dann schien sich ihre Stimmung zu bessern. Sie nahm Stephens Hand, und zusammen gingen sie nach drinnen, die Treppen hinunter, durch verschiedene von Lärm erfüllte Gänge – Luxuskabinenpartys waren en vogue – zu Esmes Suite. Stephen war etwas nervös, aber in Anbetracht der Dinge verlief alles planmäßig.
    Esmes Suite hatte einen Salon mit halbhoher elisabethanischer Holztäfelung. Sie führte in direkt in das mit Plüsch ausgelegte, mit Samt tapezierte Schlafzimmer, in dem ein riesiges Himmelbett, ein antiker Nachttisch und ein Sekretär und ein Polsterstuhl neben der Tür standen. Die verzierte, harfenförmige Sekretärlampe brannte, ebenso wie die Lampe hinter den Bettvorhängen. Ein Bullauge bot Aussicht auf Meer und Himmel, aber Stephen hatte den Eindruck, daß das Bett das Zimmer

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