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Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)

Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)

Titel: Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Kandel
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französischen
Neurologen Jean-Martin Charcot
in Paris.
    Als hervorragender Schüler, der immer der Beste seiner Klasse am Leopoldstädter Gymnasium war, immatrikulierte sich Freud 1873 an der Universität Wien – unmittelbar nach dem Börsenkrach in jenem Jahr. Dieser zog Arbeitslosigkeit und ein Wiederaufflammen antisemitischer Tendenzen und Anfeindungen nach sich. In seiner Selbstdarstellung von 1924 schreibt Freud sein späteres Gefühl der Unabhängigkeit der Isolation zu, der er an der Universität ausgesetzt war:
    Die Universität, die ich 1873 bezog, brachte mir zunächst einige fühlbare Enttäuschungen. Vor allem traf mich die Zumutung, daß ich mich als minderwertig und nicht volkszugehörig fühlen sollte, weil ich Jude war. Das erstere lehnte ich mit aller Entschiedenheit ab. Ich habe nie begriffen, warum ich mich meiner Abkunft, oder wie man zu sagen begann: Rasse, schämen sollte. Auf die mir verweigerte Volksgemeinschaft verzichtete ich ohne viel Bedauern. Ich meinte, daß sich für einen eifrigen Mitarbeiter ein Plätzchen innerhalb des Rahmens des Menschtums auch ohne solche Einreihung finden müsse. Aber eine für später wichtige Folge dieser ersten Eindrücke von der Universität war, daß ich so frühzeitig mit dem Lose vertraut wurde, in der Opposition zu stehen und von der »kompakten Majorität« in Bann getan zu werden. Eine gewisse Unabhängigkeit des Urteils wurde so vorbereitet. 27
    Nachdem er zuerst über eine juristische Laufbahn nachgedacht hatte, schrieb sich Freud mit 17 Jahren an der Medizinischen Schule ein.
    Freud war in jeder Hinsicht ein Produkt Wiens und seiner Medizinischen Schule. Als er sein Studium aufnahm, stand Rokitansky noch der Fakultät vor. Dieser nahm sich sogar Zeit, sich mit Freuds frühen neuroanatomischen Forschungen vertraut zu machen. Im Januar und im März 1877 war Rokitansky dabei, als Freud der Österreichischen Akademie der Wissenschaften einige seiner Arbeiten vorstellte. Bei den Beurteilungen, an denen Rokitansky teilnahm, bescheinigte man beiden Aufsätzen ihre hohe Qualität und akzeptierte sie. Als Rokitansky 1878 starb, war Freud wie nahezu jeder an der Medizinischen Schule davon sehr betroffen. Am Tag von Rokitanskys Begräbnis schrieb er seinem Freund Eduard Silberstein und schilderte, wie sie dem Sarg zum Friedhof gefolgt seien. 1905 verfasste Freud eine Studie mit dem Titel »Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten«, in der er »Meister Rokitansky« erwähnt. In späteren Jahren verwahrte Freud in seiner Bibliothek eine Kopie von Rokitanskys wichtiger Rede über die »Freiheit der Naturforschung« aus dem Jahre 1862 – dort hatte dieser die materielle Basis der Medizin und die Notwendigkeit unterstrichen, Wissenschaft von politischer Einmischung frei zu halten.
    In seinem Nachruf auf Freud erwähnt Franz Alexander, ein jüngerer Kollege und führender Dozent am Berliner Psychoanalytischen Institut, die Ausbildung, die Freud an der Wiener Medizinischen Schule erhielt, sowie ihren Leiter Rokitansky, der den Grundstein zu Freuds späteren Arbeiten gelegt habe. Auch Fritz Wittels, ein Psychoanalytiker, der 1898 an die Medizinische Schule der Universität Wien kam und später ein Mitarbeiter Freuds wurde, betrachtete Rokitansky als ein entscheidendes Element von Freuds »wissenschaftlicher Wiege«. Wittels schreibt:
    In der Psychoanalyse besteht eine gewisse Gefahr der wilden Interpretation, die von der Beobachtung fortführt zu einer mehr oder weniger genialen Ideologie und zurück zum Romantizismus. Die Tradition Škodas und Rokitanskys ermöglichte es Freud, nicht in diese Falle zu tappen. 28
    Weil Freud eine starke Affinität zur biologischen Grundlagenforschung hatte und die intensive Lektüre Darwins ihn nachhaltig beeinflusste, entschloss er sich, einen Studienabschluss sowohl in vergleichender Zoologie als auch in Medizin anzustreben. Aufgrund seiner achtjährigen Anstellung in der Medizinischen Schule war er eher Grundlagenforscher als Medizinstudent. Seine Ausbildung zum Wissenschaftler übernahm zuerst Ernst von Brücke, in dessen Grundlagenlabor er sechs Jahre lang tätig war, und später Meynert, unter dem er am Allgemeinen Krankenhaus in Wien arbeitete. Brücke, der Leiter des Instituts für Physiologie an der Medizinischen Schule, legte den Grundstein für Freuds lebenslange Identifikation mit der fundamentalen, positivistischen Wissenschaft.
    Brücke und seine Zeitgenossen Hermann von Helmholtz, Emil du Bois Reymond und Carl

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