Das Zeitalter der Fuenf 01 Priester
damals gehasst habe.«
»Was hat sich deiner Meinung nach geändert?«
Jayim seufzte. »Ich weiß es nicht.«
Da Leiard spürte, dass der Junge angestrengt nachdachte, verfiel er in Schweigen. Nach einer Weile bogen sie in eine schmalere Straße ein.
»Vielleicht sind es nicht alle Zirkler, die ich hasse. Vielleicht hasse ich nur einige wenige von ihnen.«
»Hass auf einen einzelnen Menschen ist etwas anderes als Hass auf eine Gruppe. Für gewöhnlich ist es schwieriger, eine Gruppe von Menschen zu hassen, wenn man erst einmal festgestellt hat, dass man ein einzelnes Mitglied dieser Gruppe mag.«
»Wie Auraya?«
Beim Klang dieses Namens überlief Leiard eine eigenartige Erregung. Er hatte sich seit Aurayas erstem Besuch noch zweimal mit der jungen Frau getroffen. Sie hatten von Leuten gesprochen, die sie aus dem Dorf kannten, und von Ereignissen, die sich nach Aurayas Weggang zugetragen hatten. Sie hatte ihm Geschichten aus ihrer Zeit als Akolythin und den späteren Jahren als Priesterin erzählt. Irgendwann im Verlaufe dieser Gespräche hatte sie eingestanden, dass ihre Erwählung durch die Götter sie nach wie vor erstaunte. »Ich war nicht immer einer Meinung mit den anderen Zirklern«, hatte sie gesagt. »Wahrscheinlich ist das deine Schuld. Wenn ich in Jarime aufgewachsen wäre, wäre ich wahrscheinlich genauso engstirnig geworden wie alle anderen.«
»Ja«, beantwortete er Jayims Frage. »Auraya ist nicht so wie die übrigen Zirkler.«
»Aber bei mir ist es genau andersherum«, fuhr Jayim fort. »Ich habe begriffen, dass ich nicht alle Zirkler hasse, nur weil einige von ihnen schlecht sind.«
Und was mich betrifft, so hasse ich die Zirkler nicht - nur ihre Götter, erklang eine Stimme aus den Tiefen von Leiards Geist. Mit diesen Worten war ein Aufwallen so heftiger Gefühle verbunden, dass er scharf die Luft einsog. Warum habe ich solchen Hass in meinem Herzen vergraben?, fragte er sich. Warum ist dieser Hass erst jetzt an die Oberfläche gestiegen?
»Ich... ich habe Zweifel, Leiard.«
Leiard zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder auf den Jungen an seiner Seite zu richten.
»Worauf beziehen sich deine Zweifel?«
Jayim seufzte. »Auf die Traumweber. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich selbst einer werden will.«
»Das hatte ich bereits erraten.«
»Was soll ich deiner Meinung nach tun?«
Leiard lächelte. »Was willst du denn tun?«
»Ich weiß es nicht.«
»Was erwartest du vom Leben?«
»Ich weiß es nicht.«
»Natürlich weißt du es. Willst du Liebe? Kinder? Wohlstand? Was ist mit Ruhm? Oder Macht? Oder mit beidem? Oder sind dir Wissen und Weisheit wichtiger? Für welches Ziel bist du bereit zu arbeiten, Jayim? Und worauf würdest du, um dieses Ziel zu erreichen, verzichten?«
»Ich weiß es nicht«, stieß Jayim verzweifelt hervor. Er bog in eine Gasse ein. Sie war so schmal, dass Leiard hinter dem Jungen hergehen musste. Ein saurer Geruch von verwesendem Gemüse stieg ihm in die Nase.
»Natürlich weißt du das nicht. Du bist jung. Jeder Mensch braucht Zeit, um...«
Mit einem Mal nahm Leiard ein Gefühl der Bedrohung wahr. Er packte Jayims Schulter.
»Was ist?«, fragte der Junge angespannt.
Ein Keuchen hallte in der Gasse wider, das sich in ein Lachen verwandelte. Zwei weitere Stimmen fielen in diesen Ausbruch von Heiterkeit ein. Als kurz darauf drei Gestalten in der düsteren, engen Gasse sichtbar wurden, fluchte Jayim leise.
»Wohin willst du denn so spät am Abend, Träumer?«
Die Stimme war jung und männlich. Leiard ließ sich von den Gefühlen dieser Fremden überfluten. Er verspürte eine Mischung aus räuberischer Absicht und grausamer Vorfreude.
»Er hat einen Freund bei sich«, warnte eine zweite Stimme.
»Einen Freund?«, höhnte der erste Junge, obwohl seine Gedanken sofort durch Vorsicht gemäßigt wurden. »Träumer haben keine Freunde. Sie haben Späher. Leute, die für sie Ausschau halten, falls sie zufällig jemand dabei erwischt, wie sie die Ehefrauen und Töchter anderer Männer verführen. Nun, das ist Pech für dich, Träumer. Wir waren als Erste hier. Du wirst nicht in Loiris Nähe kommen.«
Ehefrauen und Töchter verführen ... Ein Bild blitzte durch Leiards Gedanken. Er sah sich zwei Männern gegenüber, beide waren wütend, beide hielten Waffen in Händen. In einem Fenster über ihm erschien eine Frau. Obwohl ihr Gesicht im Dunkeln lag, wusste er, dass sie sehr schön war. Sie stieß zornige Schreie aus, aber ihr Zorn galt nicht ihm. Ihre Flüche
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