Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
womit dieser Raum wohl der unsicherste Ort im ganzen Haus war. Falls es sich um Einbrecher handelte.
Cedric war sich sicher, dass kein Einbruch stattfand: Sie wollten ihn.
Er wusste nur nicht warum.
Er musste irgendetwas wissen, das für einen anderen sehr wichtig oder sehr gefährlich war. Vielleicht war Lillian aus ebendiesem Grund tot. Weil sie etwas gewusst hatte. Nur was das sein könnte – bei Lillian, bei ihm –, wollte sich ihm nicht erschließen.
Warum sonst wollte man ihn umbringen?
Sein Medikament ließ ihn seltsam ruhig bleiben. Die Angst war etwas, das in ihm entstand und sich ausbreitete, ihn aber nicht mehr lähmte. Zur Sicherheit nahm er noch eine Tablette, schluckte sie trocken, weil er sich nicht bewegen wollte, dankte sich selbst für die Vorsichtsmaßnahme, nun immer eine Notfallration Tabletten am Körper zu tragen. Er hörte leise Stimmen und Schritte im Stockwerk unter ihm, hörte, wie Schränke und Schubladen geöffnet wurden.
Sie sahen sich um. Ließen ihn warten.
Was war das Bindeglied zwischen seinem Vater, Lillian und ihm? Unzählige Verbindungen fielen ihm ein. Geschäftliches. Privates. Sie waren eine Familie, bei allen Differenzen. Natürlich hatte sich Cedric den beiden nie nahe gefühlt. Und in die geschäftlichen Dinge seines Vaters – die offiziellen – hatte er sich erst einarbeiten müssen. Lillian hatte davon vermutlich am wenigsten Ahnung. Cedric kannte einen Großteil der Leute, mit denen sein Vater befreundet gewesen war. Aber Cedric war nicht mit ihnen befreundet. Gemeinsamkeiten, die dann doch keine waren. Was konnte es sein?
Unten war es ganz still geworden. Vielleicht waren sie gegangen. Er wartete, lauschte, immer noch nichts zu hören.
Dann ein lauter Knall, als wäre etwas Schweres umgefallen. Jemand schrie auf. Eine andere Stimme rief etwas. Schließlich Schritte, das Zuschlagen der Haustür. Sie gingen.
Cedric ging eilig ans Fenster. Er sah drei Männer, die zu Fuß flohen. Sie trugen dunkle Jacken mit Kapuzen, jeder hatte eine große Reisetasche dabei. Mehr erkannte er nicht. Sie rannten einfach links die Straße hinunter. Nur Sekunden, bevor von rechts die Polizei kam.
Er rannte die Treppe hinab, stürmte den Polizisten entgegen, rief: »Sie sind gerade weg, Sie müssen ihnen nach!« Er zeigte in die Richtung, in der die drei Männer verschwunden waren. Die Polizisten sprangen in ihren Wagen und fuhren los. Cedric ging zurück ins Haus, ließ sich erschöpft auf eine Treppenstufe sinken und stützte das Gesicht in die Hände.
Auftragskiller, die zu Fuß flohen? Niemals. Einbrecher, die zu Fuß flohen? Cedric stand auf und ging die Räume ab. In der Küche lag der Messerblock auf dem Boden. Die Messer fehlten. Hätte jemand vorgehabt, ihn zu töten, hätte er seine eigene Waffe mitgebracht. Oder hatte es nach einem Einbruch, der schieflief, aussehen sollen? Hauseigentümer überrascht Einbrecher und wird mit eigenem Küchenmesser erstochen?
Erst jetzt merkte Cedric, dass er zitterte. Er konnte seine Hände nicht ruhig halten. Seine Knie drohten nachzugeben. Er setzte sich auf einen Küchenstuhl, hörte, wie ein Wagen vorfuhr, sah einen Moment später zwei Streifenpolizisten vor sich. Sie brachten zwei schwarze, alte, geschundene Reisetaschen mit.
»Ihre Sachen?«, fragten sie ihn. Er sah in die erste Tasche: Küchenutensilien. Die Auswahl sah relativ willkürlich aus. Das teure Silber war nicht darunter. In der zweiten Tasche – Sofakissen.
»Wer klaut Sofakissen?«, fragte er.
»Sir, kann es sein, dass Ihnen jemand einen Streich spielen wollte?« Der Polizist konnte ein Schmunzeln nur schlecht unterdrücken.
Einen Streich spielen. So hatten sie es in der Schule genannt, wenn sie Jungs wie ihn mit dem Kopf in die Kloschüssel gesteckt hatten. Nein, ihm spielte niemand mehr Streiche.
»Wir haben die Taschen mitten auf der Straße gefunden. Die Einbrecher haben sie wohl einfach abgeworfen, damit sie schneller abhauen können. Würden Sie nachsehen, ob noch etwas anderes fehlt? Bargeld, Wertgegenstände, Papiere?«
»Dazu muss ich nicht nachsehen. Davon war nichts hier unten. Ich war die ganze Zeit in der Bibliothek. Sie war abgeschlossen. Alles von Wert ist oben. Was fehlt, ist die dritte Tasche. Alle drei hatten eine Tasche. Und was im Haus fehlt – die Garderobe ist leergeräumt. Mäntel, Schuhe, und so weiter.«
Man fragte ihn, was er gehört und gesehen hatte. Ob er Streit mit jemandem hatte. Ob er Pläne gehabt hatte, für ein paar Tage
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