Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
geworden war. Dann würde sie ihr Erbe nicht antreten können.
Über ein Jahr lang hatte er also versucht, es ihr nachzuweisen, aber es war ihm nicht gelungen. Und jetzt, in dieser schlaflosen Nacht nach ihrem Tod, war sowieso alles vorbei. Irgendjemand aus Lillians Verwandtschaft, die er übrigens nie kennengelernt hatte, würde das Vermögen seines Vaters für William verwalten, denn William als ihr einziger Sohn und damit nächster Verwandter, würde alles erben. Ein anderthalbjähriges Kleinkind.
Er hatte verloren.
Cedric setzte sich an den Computer und schloss sein iPhone an. Er lud die Daten hoch, die er sich von Lillians Laptop gezogen hatte, bevor die Polizei eingetroffen war. Er hoffte, Antworten zu finden. So viele unbeantwortete Fragen, die zwischen ihnen gestanden hatten. Warum hat dich mein Vater geheiratet. Wer bist du überhaupt. Welches Recht hast du, mich zu hassen. Warum hast du nie nach meiner Mutter gefragt.
Cedric klickte sich durch die Dokumente. Nichts von Interesse. Ein paar Fotos, ein paar Musikdateien, keine Videos. Nächster Schritt: ihre Mails lesen. Es war einfach gewesen, das Passwort ihres Laptops zu knacken. »William«. Manche Menschen hatten einfach kein Gespür für Sicherheit. Cedric hätte längst ihr Postfach geknackt, wenn er ihre Adresse gekannt hätte. Aber die hatte sie vor ihm geheim gehalten, gehütet wie einen Schatz. Natürlich hatte sie von seinem Vater gewusst, dass er in der Lage war, ihren Account zu knacken. Aber Lillians Laptop hatte ihm dieses Geheimnis wenigstens verraten, und als Nächstes probierte er verschiedene Passwörter durch.
Immerhin ihre Mails hatte sie gut gesichert. Jedenfalls besser als den Laptop.
Er probierte es weiter, ließ ein illegales Programm laufen, und keine halbe Stunde später las er sich durch die Korrespondenz seiner Stiefmutter der vergangenen drei Jahre.
Es war nicht viel. Sie hatte diesen Account entweder selten benutzt oder alles sorgfältig gelöscht. Vielleicht gab es einen weiteren, vielleicht hatte sie von seinem Vater gelernt und war vorsichtig gewesen. Vielleicht gab es irgendwo einen einfachen Aktenordner, in dem ihre gesamte wichtige Korrespondenz ordentlich ausgedruckt und abgeheftet lag. Vielleicht in einem Safe. Er hatte sie unterschätzt. Sie machte es ihm nicht leicht. Cedric ging jede einzelne Mail durch. Gesendete Objekte, empfangene Objekte. Er durchforstete die personalisierten Ordner, und morgens um halb acht, als im Osten ganz langsam blau aus schwarz wurde, fand er etwas, das sie übersehen haben musste. Oder das ihr so wichtig gewesen war, dass sie es nicht über sich gebracht hatte, es zu löschen. Der Betreff lautete: »Zweitgutachten«. Er öffnete die Mail, lud den Dateianhang runter und begann zu lesen.
Eine halbe Stunde später nahm er sein iPhone und rief Ben an.
»Ich habe Urlaub.« Er klang verkatert.
»Ich habe möglicherweise ein Motiv für den Mord an Lillian gefunden«, sagte Cedric.
Ben zögerte, aber nur kurz. »Ja. Spannend. Sagen Sie’s der Polizei.«
»Ich würde zuerst gerne mit Ihnen …«
»Cedric, das Einzige, was Sie interessieren sollte, ist, dass man Sie hat laufen lassen. Den Rest erledigt die Polizei. Also reden Sie mit denen.«
»Ungern. Ich bin auf nicht ganz legalem Weg an die Informationen gelangt.«
Er hörte das Rascheln von Bettzeug. »Wollten Sie sich nicht ausschlafen?«
»Das hat nicht wirklich funktioniert. Ich bin seit drei Uhr wach.«
»Legen Sie sich wieder hin und schlafen Sie drüber, egal, was es ist.«
»Ben, es ist wichtig. Es geht um das Erbe!«
»Oooh, na dann! Warten Sie, ich bin in zwei Minuten da. Oder lieber in anderthalb?«
»Es ist wirklich wichtig.«
»Und ich habe wirklich Urlaub. Und wirklich meinen Vater in meiner Wohnung rumhängen. Das wird mir ein bisschen viel. Können wir auch heute Nachmittag reden?«
Cedric schwieg, unsicher, was er antworten sollte. Hatte es bis nachmittags Zeit? Nicht für ihn. Aber wie würden normale Menschen in so einer Situation reagieren?
»Cedric? Sind Sie noch dran?« Er klang sanfter.
»Ja. Entschuldigung. Ich hätte Sie nicht … das war dumm von mir. Schlafen Sie weiter.«
»Nein. Schon gut. Erzählen Sie’s mir, aber die Kurzfassung.«
»Lillian wurde ein kranker Embryo eingepflanzt.«
Schweigen.
»Verstehen Sie?«
»Ich verstehe das Motiv nicht. Hört sich eher an, als hätte Lillian einen Grund gehabt, jemanden umzubringen.«
»Sie zahlt tausende Pfund und bekommt ein krankes Kind.
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