Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
Wenn das rauskommt, sind die, die ihr geholfen haben, auf diesem Weg schwanger zu werden, ruiniert.«
»Da diese Leute illegal unterwegs sind, kann sie sie schlecht verklagen, und diese Typen haben nichts zu befürchten! Sorry, aber das ist Schwachsinn.«
»Sie kann gedroht haben, alles auffliegen zu lassen. Sie anzuzeigen. Irgendwas.«
»Dann wäre sie mit dran. Nein.«
»Aber …«
»Cedric, ich soll es Ihnen eigentlich nicht sagen, aber bevor Sie weitermachen mit Ihrer Paranoia: Gestern hat sich eine Zeugin gemeldet und gesagt, dass sie den Täter kennt. Rufen Sie Ihre Freundin Hepburn an. Die kann Ihnen mehr sagen, wenn Sie höflich fragen. Und jetzt schlaf ich noch eine Stunde. Sollten Sie auch tun.«
»Ich bin nicht paranoid«, sagte Cedric.
»Nehmen Sie Ihre Tabletten.«
Lillian hatte die Krankheit ihres Sohnes verschwiegen, da das Testament seines Vaters eine Klausel enthielt, die alles zunichte gemacht hätte: Es war immer die Rede von einem gesunden Nachfahren. Lillian hätte bei Bekanntwerden der Krankheit nichts geerbt. Er würde mit seinen Anwälten reden, damit ihr das Erbe nachträglich aberkannt wurde. Er würde nicht nur die Hälfte erben, sondern alles.
Er brauchte das Geld. Nicht, weil ihm so viel an Luxus lag, sondern weil er anders nicht leben konnte. Allein mit Geld konnte er sich schützen vor dem, was die Welt ihm abverlangte.
Er lehnte sich zurück und betrachtete den Raum, in dem er sich befand, als sähe er ihn zum ersten Mal: die altmodische Bibliothek mit den hohen Bücherreihen aus schwerem, dunklem Holz, die großen Fenster, die Art-Déco-Leuchten. Eine kleine Sitzgruppe aus schweren Ledersesseln. Der Mahagonischreibtisch, an dem er saß. Eine Reminiszenz an vergangene Zeiten. Manche würden sagen: ein Statussymbol. Für ihn war es nichts anderes als ein Versteck. Hier kannte er die Spielregeln, sie waren seit Generationen dieselben. Hier musste er sich dem Leben da draußen nicht stellen. Bibliotheken waren für ihn schon immer ein Rückzugsort gewesen. Zu Schulzeiten das einzige Versteck, in dem ihn seine Mitschüler nicht zu fassen bekamen. Zu Studienzeiten die Oase, in der er nicht gezwungen war, mit den Kommilitonen zu reden, zu lachen, zu feiern. Jetzt hatte er seine Bibliothek zu Hause. Er würde sie nie mehr aufgeben müssen, weil Lillian kein Penny vom Erbe seines Vaters zustand. Genauso wenig wie seinem Halbbruder. Er konnte sich wieder einen Fahrer leisten, Hausangestellte, alles, was er brauchte, um sich zu schützen vor diesem Leben, das ihm solche Angst machte.
Cedric stand auf, ging an den Regalreihen entlang, ließ die Finger einen Zentimeter über den Buchrücken durch die Luft gleiten. Er probierte ein Lächeln, ging zur Tür, drehte sich noch einmal um. Die aufgehende Sonne schien durch die Ostfenster und warf warmes Licht auf die oberste Reihe eines Regals. Der goldene Schriftzug auf einem Buchrücken reflektierte die Strahlen. Cedric wusste, welches Buch es war: eine Gesamtausgabe von Edgar Alan Poes Erzählungen. Er schloss die Tür hinter sich, ging den Flur entlang und dachte: Was für ein beschissenes Leben habe ich da eigentlich.
Auszug aus Philippa Murrays Tagebuch
Freitag, 26. 12. 2003
Als ich heute Morgen aufwachte, war mir ganz klar, welche Optionen ich habe: Wenn er wegen einer anderen Frau gegangen ist, will ich ihn nicht zurück. Ich will nur Klarheit. Ich brauche Klarheit. Wenn er eine Weile seine Freiheit braucht und sich die Welt ansehen will – ich kann auf ihn warten. Wenn er wieder straffällig geworden ist – darüber kann man reden. Kommt drauf an, was er gemacht hat.
Matt sagte: »Er muss ja was ganz Besonderes sein, wenn du dich auf einen Ex-Knacki einlässt. Der vielleicht wieder was angestellt hat.« Er versuchte, es leicht klingen zu lassen. Es klang aber wie der Vorwurf, der es war. Wir gingen zusammen spazieren und rauchten heimlich. Ich erzählte ihm von Sean, auch wenn er die Geschichte schon kannte, aber er hörte geduldig zu, weil er wusste, wie gut es mir tat, darüber zu reden, und ich werde die Geschichte hier aufschreiben, weil ich sie nie vergessen will:
Ich lernte Sean vor anderthalb Jahren kennen, als ich gerade aus den USA zurückgekommen war. Bis dahin hatte ich alles getan, um meiner Familie zu entkommen. Kein Studium, sondern eine handwerkliche Ausbildung. Ich war nach Hamburg gegangen, um Klavierbauerin bei Steinway&Sons zu lernen. Anschließend nach New York, um in den Werkstätten in Queens Flügel zu
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