Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
und schoben sich zu den Kassen vor. Dana ging nun ebenfalls zu den Kassen. Stellte sich, wie alle anderen, in die Reihe, wartete, bis ihr ein Kassierer ein Zeichen gab, dass sie zu ihm kommen durfte, und alles andere war ganz leicht. Er packte ihre Einkäufe aus dem Korb in Plastiktüten, sie bezahlte mit ihrer Karte, und dann durfte sie gehen.
Als sie wieder draußen in der Kälte stand, war sie unheimlich stolz auf sich. Sie war einkaufen gewesen, wie andere, ganz normale Menschen auch. Sie konnte für sich selbst sorgen. Und sie musste unbedingt mit ihrer Haushälterin reden, ob sie auch diese grässlichen abgepackten Sachen kaufte. Gab es denn keine Metzger? Keine Gemüsehändler? Als Kind war sie manchmal mit dem Kindermädchen auf dem Markt gewesen, und sie hatte sich immer vorgestellt, dass ihre Haushälterin ebenfalls auf den Markt ging. Nicht in so einen Supermarkt. Sie würde sich erkundigen müssen, wo es in Edinburgh einen Markt gab. Sie würde Michael fragen. Er war schon auf dem Weg zu ihr.
Dana ließ ihre Einkäufe extra in der Küche stehen, um Michael zu beeindrucken. Als er kam und die Tescotüten sah, fing er wieder an zu lachen, nur nicht so manisch wie am Abend zuvor. Diesmal klang es traurig und hohl. Michael sah aus, als hätte er nicht geschlafen. Er räumte die Tüten aus und stellte Butter und Milch in den Kühlschrank.
Darauf hätte sie auch selbst kommen können. Sie ärgerte sich.
Michael zählte ihr auf, was er alles unternommen hatte, um Pippa zu finden: Krankenhäuser durchtelefoniert. Freunde und Bekannte angerufen. Stundenlang mit der Polizei gesprochen. Dort schien man die Möglichkeit, sie könnte vorhaben, sich etwas anzutun, nicht auszuschließen, weshalb mit Hochdruck nach ihr gesucht wurde.
Sagte man jedenfalls.
Auch eine Entführung schloss die Polizei nicht aus. Michaels Telefone wurden nun überwacht, falls jemand anrief, und offenbar wollten sie auch in Plymouth die Anrufe der Murrays überwachen.
»Deinen Eltern geht es nicht gut«, sagte Michael.
Dana stellte sich vor, wie ihre Mutter wieder Migräne bekam und ihr Vater wutschnaubend durch sein Haus polterte.
»Dana? Hörst du mir überhaupt zu? Irgendwie hab ich nicht das Gefühl, dass du dir Sorgen um Pippa machst.«
Dana atmete lange aus. »Natürlich mache ich mir Sorgen. Ich bin extra hierhergekommen, weil du mich darum gebeten hast, ist das etwa nichts? Und jetzt sag mir, was ich tun kann, um zu helfen.« Sie setzte ein Lächeln auf.
»Hast du dich hier umgesehen? Irgendeinen Hinweis darauf gefunden, wo sie sein könnte?«
Sie war nicht mal auf die Idee gekommen, sich nach Hinweisen umzusehen. »Ich wollte warten, bis du da bist, damit wir zusammen im Büro ihre Unterlagen durchsehen.« Sie improvisierte, aber Michael schien es nicht zu merken. Er war vollkommen am Ende seiner Kräfte, weil er Pippa liebte. So wie alle Pippa liebten. Michael. Sean. Ihre Eltern, auch wenn sie versuchten, es zu verbergen. Ihr Bruder Matt.
Ihr Ehemann.
Im Büro der Werkstatt fanden sie nichts, was da nicht hingehörte. Michael fing an, die Kunden der letzten Wochen anzurufen und zu fragen, ob sie etwas von Pippa gehört hätten. Ob ihnen irgendetwas aufgefallen sei, als sie das letzte Mal mit ihr gesprochen hatten. Ob sie die Augen offen halten könnten. Dana sah sich in der Zeit den Computer ihrer Schwester an, doch anscheinend hatte sie diesen nur geschäftlich genutzt. Alle Dateien waren sorgfältig abgelegt und in Ordner sortiert. Vorbildlich. Wenn das ihr Vater wüsste, er wäre ja so stolz.
Als Nächstes nahm sie sich den Internetbrowser vor. Das war schon interessanter. Pippa hatte in den letzten Wochen viel an der Homepage der Werkstatt gearbeitet, aber auch immer wieder Facebook benutzt. Ihre Schwester machte es ihr leicht, Benutzername und Kennwort waren im Browser gespeichert, und Dana kam spielend leicht auf Pippas Profil. Sie hatte über viertausend sogenannte »Freunde«. Und sie hatte eine Seite angelegt, mit der sie auf Seans Verschwinden aufmerksam machte. Diese Seite hatte über zehntausend »Gefällt mir«-Klicks. Pippa hatte regelmäßig etwas gepostet, aber wenige Antworten bekommen. Meistens schrieben die Leute nur etwas Aufmunterndes, aber nichts, was wirklich ein Hinweis darauf war, was mit Sean geschehen sein könnte.
»Ich dachte, sie hätte nichts mehr unternommen, um Sean zu finden«, murmelte Dana.
Michael, der gerade jemandem am Telefon zuhörte, sah zu ihr herüber. Er deckte den Hörer
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