Das zerbrochene Siegel - Roman
Verwandtschaft im Fränkischen? Oder Freunde, die ihn besuchten?«, wollte Bandolf wissen.
»Das wohl nicht. Grimbalds Hausmeier sagt, dass der Einzige, der sich mit seinen Launen verträgt, Rutland vom Frankenstein ist. Aber als ich ihn aufsuchte …«
»Du hast was gemacht?«, fragte der Burggraf scharf.
Der Herr vom Frankenstein war einer jener Anhängsel, die die Fürsten während der Zeit gesammelt hatten, als König Heinrich noch unter ihrer Vormundschaft gestanden hatte. Hinzu kam, dass Rutland einer der geschwätzigsten Männer war, die Bandolf je untergekommen waren. Wusste Rutland erst davon, dass der Burggraf von Worms Nachforschungen über Arnold von Clemante anstellte, wussten es auch bald die Fürsten.
»Verdammich! Hatte ich dir nicht eingeschärft, dass du dich nur auf dem Diemerstein nach Arnold von Clemante erkundigen sollst?«
»Ihr habt mir aufgetragen, ich sollte mich von Arnolds Gut fernhalten. Davon, dass ich nirgendwo anders fragen dürfte, als auf dem Bergfried Eures Oheims, habt Ihr nichts gesagt«, rechtfertigte sich Prosperius gekränkt. »Und weil doch Euer Oheim erzählt hat, wie er Arnolds Weib eines Tages mitten im Wald gesehen hat, dachte ich …« Er stockte.
Der Burggraf runzelte die Stirn. »Grimbald ist Beatrix im Wald begegnet. Und weiter?«
»Sie war ganz allein dort und sehr verschreckt, als Euer Oheim sie ansprach …«
»Das wundert mich nun nicht«, murmelte Bandolf.
»… wollte offenkundig nicht sagen, wohin sie unterwegs sei. Am nächsten Tag stand Arnold vor der Pforte zum Diemerstein und verlangte Auskunft, ob sein Weib bei Grimbald um Obdach gebeten hätte.«
»Was sagte mein Onkel?«
»Er sagte Arnold, er solle verschwinden.«
Der Burggraf grinste. »Und dann?«
»Als Nächstes suchte Arnold Rutland vom Frankenstein auf. Das weiß ich von dessen Vogt.« Offenbar um des besseren Effektes willen senkte Prosperius geheimnisvoll die Stimme. »Rutlands Vogt hat mir erzählt, Arnold habe auch
auf dem Frankenstein gefragt, ob sein Weib vielleicht dort Obdach gesucht hätte. Und er sei sehr aufgebracht gewesen, als sein Herr verneinte. Rutland konnte ihn dazu bewegen, eine Stärkung zu sich zu nehmen. Der Vogt hörte, wie sein Herr Arnold auszufragen begann, doch als Arnold endlich genug Wein getrunken hatte, um gesprächig zu werden, schickte Rutland seine Hörigen aus der Halle. Seltsam war jedoch, dass er gleich am Tag nach Arnolds Besuch, für seinen Vogt völlig überraschend, nach Lorsch geritten ist. Und dort hält er sich immer noch auf.«
Das Dokument, fuhr es Bandolf durch den Kopf. Hatte Arnold irgendetwas über das Testament preisgegeben, das Rutland veranlasst hatte, Hals über Kopf nach Lorsch zu reiten? Und was konnte es beinhalten, um für die Fürsten von Interesse zu sein? Bandolf stieß ein tiefes Seufzen aus.
Der junge Schreiber war verstummt und schaute seinen Herrn erwartungsvoll an.
Eingedenk der Missetaten, die während seiner Abwesenheit ans Licht gekommen war, ließ Bandolf ihn eine kleine Weile zappeln, doch schließlich erbarmte er sich. »Du hast deine Sache gut gemacht.«
Ein triumphierendes Lächeln überzog Prosperius’ Gesicht, als er aufstand. Dann schien ihm noch etwas einzufallen. Er blieb stehen, senkte den Kopf und schielte den Burggrafen unter halb gesenkten Lidern an. »Da ist noch etwas, Herr«, meinte er.
»Nun?«
»Ich musste dem Hausmeier Eures Oheims einen Hälbling geben, sonst hätte er mir überhaupt nichts erzählt«, meinte er.
»Und?«
»Nun ja, Herr. Ich gab ihm den Hälbling aus meinem Beutel.«
»Dann nimm deinen Verlust als Buße für den Kaufmann, dem du für ein Zubrot versprochen hast, er könne seine Waren in die Stadt bringen, ohne den üblichen Zoll zu verrichten«, meinte Bandolf trocken und hatte das Vergnügen zu beobachten, wie das Gesicht seines jungen Schreibers lang wurde.
KAPITEL 16
E inen Lidschlag lang stand Garsende wie angewurzelt und versuchte zu begreifen, was sie sah. Dann rannte sie, laut um Hilfe rufend, in den Raum. Außer sich vor Zorn und Schrecken zugleich klappte sie den Verschlag zu und eilte zu Beatrix zurück, um zu prüfen, ob in dem wachsbleichen, reglosen Körper noch Leben war. Zunächst konnte sie nur ihren eigenen wilden Herzschlag hören. Dann endlich spürte sie einen Hauch von Beatrix’ Atem auf ihrer Wange.
Während sie die Kranke behutsam von der durchnässten Bettstatt auf den Boden zog, hörte sie durch die offene Tür Schritte heraneilen und dann
Weitere Kostenlose Bücher