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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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sollen?
    Endlich sah sie auf und begegnete dem Blick des Burggrafen, der ihr Mienenspiel mit hochgezogener Braue zu verfolgen schien.

    »Herrgott, Weib! Hast du dich etwa in das Gesicht eines Höflings vernarrt?«
    »Ich bin in niemandes Gesicht vernarrt«, gab sie heftig zurück.
    »So will’s mir aber scheinen.«
    »Das ist nicht wahr.«
    Verärgert runzelte er die Stirn. »Hältst du mich für einen Narren, dass ich derlei nicht erkenne?«
    »Wenn hier schon von Vernarrtheit die Rede ist, dann solltet Ihr Euch selbst zur Rede stellen«, rief sie, ebenso verärgert wie er. »Ich jedenfalls lasse mich nicht von einem hübschen Lärvchen am Gängelband führen.«
    »Was hackst du denn wie eine Krähe auf dem jungen Weib herum?«, rief er aufgebracht. »Es war wohl kaum Serafinas zarte Hand, die Arnold von Clemante ein Schwert in den Hals gerammt hat. Und gewiss ist sie auch nicht kräftig genug, um einen Mann meiner Größe mit dem Dolch zu bedrohen!«
    »Aber irgendwie ist sie in all die Geschehnisse verwickelt. Das spüre ich genau. Ihr wollt es nur nicht sehen«, platzte Garsende unbesonnen heraus. »Wie wäre denn sonst ihr überaus reges Interesse an Ulberts Tod zu erklären? Oder an Euch, einem Mann im Ehestand? Doch Ihr seid Wachs in ihren Händen.«
    »Bleib du bei deinen Kräutern, und halt dich aus meinen Belangen heraus!« Hochrot vor Zorn starrte er sie an.
    »Ich habe Augen im Kopf und sehe doch, wie sie Euren Verstand verdreht.«
    »Verdammnis, Weib! Kehre vor deiner eigenen Tür, und lass meinen Verstand meine Sorge sein!«, knurrte er, ließ sie stehen und stürmte davon.
     
    »Vernarrt!«, fauchte sie, als sie die Treppe zu den Gästequartieren hinaufstürmte. Wie konnte er so etwas nur behaupten
und glauben, sie sei so blind, dass sie nicht sehen konnte, warum sein Verdacht auf Lothar fiel. Sie war nicht vernarrt, sie war nur …?
    Und selbst wenn, der Burggraf war nicht ihr Vormund! Was sie fühlte oder nicht, darüber hatte er nicht zu entscheiden.
    Mir vorzuwerfen, ich würde mich in seine Belange einmischen!
    Ja, bei allen Heiligen! Wer hatte denn nach ihr gerufen, weil in seinem Hof ein Toter lag? Und wer war zu ihr gekommen, um sich ihrer Hilfe bei Annalinde zu versichern? Und wer hatte sie ins Kloster geschickt, weil er fürchtete, der Meuchler könne es auf Beatrix abgesehen haben? Da war keine Rede davon gewesen, dass sie sich nicht in seine Belange einmischen dürfte!
    »Zur Hölle mit dem Mannsbild!«, stieß sie laut hervor. Wenn sich das nächste Mal jemand in seinem Haus umbringen ließ, sollte der Burggraf doch zusehen, wer ihm half! Sie hatte, weiß Gott, Besseres zu tun.
    Oben angekommen, zitterten ihre Hände noch immer vor Wut und Kränkung.
    Ich muss mich beruhigen, dachte sie und blieb stehen. So erregt, wie sie augenblicklich war, sollte sie sich nicht an ein Krankenlager setzen.
    Die Kirche kam ihr in den Sinn. Ein Ort, wo es still wäre und sie für sich sein konnte. Rasch machte Garsende kehrt und wirbelte die Treppe wieder hinunter.
    Es dämmerte. Kälte und Zorn trieben ihr die Röte ins Gesicht, doch endlich verschaffte sich auch eine leise Stimme in ihrem Herzen Gehör. Hatte nicht auch ein Körnchen Wahrheit in den Worten des Burggrafen gesteckt? War sie nicht vernarrt und blind wie er? Vernarrt in einen Mann, der nicht ihr gehören konnte, und blind, weil sie das in seiner Nähe stets vergaß?

    Traurigkeit begann sich in ihren Zorn zu mischen, und allmählich verebbte ihre Wut. Oh Himmel! Was hatte sie sich nur dabei gedacht, so unbesonnen zu sein?
    Ich hätte andere Worte, sanftere, finden müssen, um ihn vor Serafinas Fallstricken zu warnen, dachte sie. Noch besser hätte ich den Mund gehalten.
    Was war gewonnen, dass sie ihre Zunge nicht in Zaum gehalten hatte? Nun war er überzeugt, dass sie der jungen Frau etwas neidete, und würde keinem ihrer Worte mehr Glauben schenken.
    Und womöglich trog sie ihr Gefühl, und sie tat Serafina Unrecht? Vielleicht war da ja doch ein wenig Neid bei ihr im Spiel, hatte Garsende doch just in letzter Zeit des Öfteren darüber nachgedacht, wie es sein könnte, wäre sie, wie Serafina, im rechten Bett geboren.
    Und letzten Endes hatte er doch recht. Serafina hatte das Schwert gewiss nicht geführt, das Arnold von Clemante den Tod gebracht hatte. Und außerdem …
    Unversehens hatte sie die Kirche erreicht.
    Aus dem Innern drang Gesang, und als sie die Tür öffnete, sah Garsende die Nonnen im Chorraum versammelt. Feierlich

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