Das zerbrochene Siegel - Roman
Kreischen, das selbst noch durch den geschlossenen Verschlag durchdringend klang, weckte den Burggrafen. Bandolf setzte sich auf, horchte einen Augenblick und sank dann mit einer Grimasse zurück in seine Felle. Bei allen Heiligen, musste Penelope ihrem Liebesspiel just in seinem Hof frönen? Entschlossen, sich seines wohlverdienten Schlafs nicht berauben zu lassen, machte Bandolf die Augen zu.
Auch Matthäa schien durch die Geräusche erwacht zu sein. Unverständliches vor sich hin murmelnd, drehte sie sich um, rückte nah an ihn heran und warf ihren Arm über seine Brust. Der Duft ihres üppigen Haars drang an seine Nase. Bandolf blinzelte.
»Seid Ihr wach?«, flüsterte er.
»Hmm.«
In der Dunkelheit konnte er ihr Gesicht nicht sehen, doch er spürte ihren weichen Leib an seinem, und im Nu rührte es sich in seinen Lenden.
»Ihr seid doch wieder wohlauf?«, raunte er und hörte sie leise lachen.
»Eltrudis wird abreisen.«
Auf der Suche nach ihren Brüsten wühlte er sich durch Matthäas Lockenpracht zu ihrer nackten Haut vor, strich über ihren Hals entlang abwärts.
»Tatsächlich? Wann?«
Sie drängte sich ihm entgegen. »In Bälde«, murmelte sie. Was immer sie sonst noch sagen wollte, ging in seinen Küssen unter.
Geraume Zeit später schob Bandolf seine Gattin, die mit dem Kopf in seiner Armbeuge fest eingeschlafen war, behutsam zurück auf ihre Seite der Bettstatt. Dann schälte er sich aus den zerwühlten Fellen. Obwohl der Katzenjammer unter dem Fenster der Schlafkammer aufgehört hatte und sein Körper vom Liebesspiel noch träge war, hatte sich der Schlaf nicht wieder einstellen wollen. Zu viel Ungereimtes ging ihm durch den Kopf.
Unschlüssig darüber, was er eigentlich zu nachtschlafender Zeit tun wollte, tastete sich Bandolf zur Truhe, wo er seine Kleider abgelegt hatte. Es dauerte eine Weile, bis es ihm gelungen war, im Dunkeln Beinlinge, Hemd und Stiefel überzustreifen, doch dann verließ er, seinen Umhang über dem Arm, die Schlafkammer.
In der Halle entzündete er eine Lampe am Herdfeuer und setzte sich mit einem Krug verdünntem Wein an die Tafel. Während er seinen Durst gleich aus dem Krug löschte und auf die Schlafgeräusche der Hauseigenen lauschte, trieben seine Gedanken ziellos dahin. Einen Augenblick lang überlegte er, Klärung in den Worten seiner kostbaren Äneis zu suchen, entschied sich dann aber dagegen. Es schien ihm einfach nicht die rechte Zeit für Vergil zu sein.
Endlich erhob er sich wieder, verließ die Halle, ohne dass einer seiner Hörigen erwacht wäre, und tappte durch die Diele.
Kalte Luft schlug ihm entgegen, als er die Tür zum Hof öffnete. Ein grauer Himmel zeigte ihm, dass die Morgendämmerung nicht mehr allzu fern war. Fröstelnd warf er sich den Umhang über, dann glitt sein Blick unwillkürlich zu der Stelle, wo er den toten Ulbert von Flonheim gefunden hatte. War er dem Mörder des jungen Edelmanns inzwischen auch nur einen Schritt näher gekommen?
Der Burggraf seufzte. In der Hoffnung, die frische Luft möge ihn entweder wach oder aber müde genug machen, damit er noch ein wenig Schlaf bekäme, begann er ziellos über den Hof zu wandern, während seine Gedanken ebenso ziellos hin und her sprangen. Vor dem Kräutergarten seiner Gattin blieb er stehen. Penelope, Königin in seinem Hof, thronte auf der Mauer und starrte ihm aus bernsteingelben Augen entgegen. Als er näher kam und die Lampe hob, entdeckte er, dass an ihrem Ohr ein Stückchen fehlte. Ihr Fell sah zerfleddert aus, und an ihrem blutigen Mäulchen klebte ein Büschel schwarzer Haare. Unbewegt erwiderte die Katze seinen forschenden Blick, als er sich neben sie auf die Mauer setzte.
»Matthäa würde mir die Hölle heißmachen, wäre mein Liebesspiel so grob wie deines«, bemerkte er. »Oder hast du meinen Hof verteidigt?«
Seine Betrachtungen schienen Penelope zu langweilen. Mit weit aufgerissenem Mäulchen gähnte sie ihn an und begann sich dann zu putzen. Während er zusah, wie ihre rosa Zunge penibel Stück um Stück ihres Fells glättete, kehrten seine Gedanken wieder zu seinen augenblicklichen Schwierigkeiten zurück. In den Tagen, die seit dem Angriff auf ihn verstrichen waren, hatte er oft geglaubt, der Lösung des Rätsels schon ganz nah zu sein - doch immer, wenn er dachte, er müsste sie nur noch packen, entzog sie sich seinem Zugriff. Ein paar letzte Strohhalme schienen in seinem Bündel immer noch zu fehlen.
Da Arnold und Ulbert durch zwei verschiedene Waffen zu Tode
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