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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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sein eigenes Weib, und ein Lächeln flog über sein bärtiges Gesicht. »Und doch wissen manche Ehefrauen recht wohl, womit sich der Gatte beschäftigt«, meinte er.
    Als Annalinde schwieg, seufzte Bandolf und fragte: »Wann kehrte Ulbert nach St. Andreas zurück?«
    Eingehend betrachtete sie ihre Hände, die gefaltet auf dem Schoß lagen. »Zur Sext«, gab sie einsilbig zur Antwort.
    »Und dann?«
    »Nach dem Mittagsmahl verließ er das Stift wieder, und ich sah meinen Gatten nicht wieder.«
    »Hat er Euch denn nicht von dem Streit erzählt, in den er auf dem Marktplatz verwickelt war?«, fragte Bandolf erstaunt.
    »Von einem Streit weiß ich nichts.«
    Er wartete, ob sie sich nach dem Streit erkundigen würde, doch sie tat nichts dergleichen.
    »Wie verhielt er sich, als er zurückkehrte? War er aufgeregt, aufgebracht womöglich?«
    Gleichmütig zuckte sie mit den Schultern. »Mir ist
nichts dergleichen aufgefallen«, behauptete sie. »Mein Gatte war so wie immer.«
    Bandolf sah auf ihren gesenkten Schopf hinunter und rollte ungeduldig die Augen.
    »Ulbert wurde beobachtet, wie er mit einem kleinen, dunkelhäutigen Mann in einen Streit geriet. Der Mann nannte ihn einen Dieb und Lügner. Das ist eine beleidigende Anschuldigung, wenn sie nicht wahr ist. Und Ihr wollt behaupten, Euer Gatte hätte gegenüber Euch, seinem Weib, kein Wort davon gesagt, ja nicht einmal Verärgerung gezeigt?«
    Annalinde sprang so plötzlich auf, dass Bandolf unwillkürlich einen Schritt zurückwich.
    »Ich verstehe nicht, warum Ihr mich mit solchen Fragen plagt?«, rief sie mit hochroten Wangen. »Mein Gatte ist tot, mein Sohn seines Vaters beraubt. Und Ihr wollt wissen, in welcher Stimmung er gestern gewesen war?«
    »Wenn Ihr wollt, dass der Mörder Eures Gatten gefunden und zur Verantwortung gezogen wird, dann solltet Ihr meine Fragen lieber beantworten«, erklärte Bandolf ruhig.
    Mit einem leisen Stöhnen griff sie sich an die Stirn, als hätte sie Kopfschmerzen. »Verzeiht mir meine Barschheit.« Ihre Stimme schwankte. »Der plötzliche Tod meines Gatten hat mich mitgenommen. Das versteht Ihr doch sicher?«
    »Gewiss«, brummte er so hastig wie unbehaglich, und er hoffte inständig, sie würde nicht in Tränen ausbrechen.
    »Ich kann Euch wirklich nicht mehr sagen. Ulbert hielt sich nach der Sext nur kurz in unserem Quartier auf, dann ging er wieder«, fuhr sie leise, doch glücklicherweise wieder mit festerer Stimme fort. »Er sagte, er wolle sich mit Eberold vom Bruch und Winand von Beckenbach beim Wirt am Markt treffen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Mein Gatte ist mit den beiden Herren gelegentlich zur Jagd geritten. Eberold vom Bruch besitzt eine Hufe in unserer Nachbarschaft. Er war hin und wieder bei uns zu Gast.«

    Eberold vom Bruch kannte Bandolf nicht, dafür war ihm der Name Winand von Beckenbach vertraut. Winands Familie war begütert und besaß ein Stadthaus in Worms. Winand, der einzige männliche Nachkomme, pflegte seine Tollkühnheit durch allerlei Unfug und Protzerei zu beweisen, wobei nächtliches Randalieren in den Gassen von Worms ein Gutteil des Bußgeldes ausmachte, das er regelmäßig vor dem Richtstein zu berappen hatte. Wenn Ulbert sich mit Kumpanen dieses Schlages umgeben hatte, warf das ein bewölktes Licht auf seinen Charakter.
    »Gehörte auch Lothar von Kalborn zu Ulberts Kumpanen?«, wollte Bandolf wissen.
    »Nicht, dass ich wüsste. Zumindest hat mein Gatte diesen Namen nie erwähnt.«
    »Und wie steht es mit einem Mann von kleiner Statur und gebräunter Haut? Er könnte von jenseits der Alpen stammen. Kennt Ihr jemanden, der dieser Beschreibung gleicht?«
    »Nein, einem solchen Mann bin ich nie begegnet«, sagte sie - zu heftig, wie es schien. Mit gerunzelter Stirn wartete Bandolf, ob sie noch etwas hinzufügen würde, doch sie biss sich auf die Lippen und senkte den Kopf.
    »Hmm. Gab es sonst noch jemanden, in dessen Gesellschaft sich Euer Gatte in Worms gerne aufhielt?«, fragte er nach einer Weile.
    Bevor sie antworten konnte, ging die Tür auf, und eine Magd mit einem Weidenkorb auf dem Arm trat ein. Annalindes Gesicht erhellte sich wie durch Zauberhand. Mit einem strahlenden Lächeln lief sie auf die Magd zu und hob ein fest in Leinen eingewickeltes Baby aus dem Korb.
    »Mein Sohn«, erklärte sie Bandolf mit offenkundigem Stolz, während sie das Kind sanft in ihren Armen wiegte. »Gestattet, dass ich Euch verabschiede, Burggraf. Ich muss mich um mein Kind kümmern.«

    Unzufrieden stapfte

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