Das zweite Gesicht
klettern. S i e zerriss sich ein Hosenbein an einer der Eisenspitzen, nur ein paar Zenti m eter, aber es fühlte sich an wie eine V erletzung. Wo m öglich war auch i h re W ade aufgeschlitzt, aber darum konnte sie sich jetzt nicht küm m ern.
Sie erreic h t e die Tür, z o g an der Türglocke, wartete, z o g noch einige Male m ehr, bis s i ch s c hlie ß lich ei n e Stim m e m eldete und verkündete, sie werde u m gehend die Polizei rufen. Chiara nannte ihren Namen, woraufhin eine Sichtluke geöffnet wu r de und die m i sstrauischen Augen von Elohi m s Privatsekretärin sie aus dem Dunkel musterten. F rau von Fürstenberg sei nicht daheim, erfuhr sie; im m erhin war nicht m ehr die Rede von der Polizei. Chiara bestand darauf, dass sie Elohim unbedingt sprechen müsse. Die Sekretärin m achte noch i m m er keine Anstalten, sie einzulassen, verr i et i h r aber sc h lie ß lich, da s s Elohi m s Zustand sich verschlechtert habe und sie vor einigen Tagen ins Krankenhaus ei n geliefert worden sei. Keine Sorge, es sei nicht a l lzu schlimm, aber die gnädige Frau brauche Ruhe, und übrigens auch sie selbst, und Chiara sehe ebenfalls aus, als könne sie ein wenig Schlaf gebrauchen. Chiara spürte, dass sie wütend wurde und kurz davor war, die Sekretärin zu fragen, ob sie Eloh i m etwa auch im Bett m it gnädiger Frau anredete; dann aber beherrschte sie sich, weil sie trotz allem glaubte, dass die Frau die Wahrheit s agte. Sie würde El o him gerne besuchen, s agte sie, ver m utete aber bereits, dass i h r Zustand und die Uhrzeit nic h t dazu angetan waren, dass die Sekretärin ihr den N a m en des Krankenhauses oder gar eine Zim m e rnum m er n e nnen wür d e. Schlie ß lich blieb i h r nur, die F rau zu bitten, einen W agen für sie zu bestellen.
»Und wären Sie wohl so freundlich, m i r das Tor aufzuschließen, da m it ich m i r an den Scheißspitzen nicht den Bauch aufschlitze ? «
Zwanzig Minuten s p äter saß si e in ein e m Wagen Richtung Innenstadt und erklärte d e m verschlafenen Fahrer ihr Z i el. Sie konnte s i ch an die Adres s e erinnern, weil sie sie auf den beiden Rechnungen verglichen hatte, auf ihrer und der von Torben Grapow. Sie hatte eine unheilvolle Ahnung, in welchem Krankenhaus Elohim gelandet war.
Die Klinik lag in den oberen E t agen eines unscheinbaren Stadthau s es. I m Erdgeschoss war ein Hutgeschäft für Männer untergebrac h t, dessen Schaufensterpuppen in ihren Mänteln und Hüten aussahen wie beza h lte Mörder. Der Eingang zur Klinik b e fand sich daneben, eine doppelte Glastür, hinter der gedä m p ftes Licht einen langen, leeren Gang erhellte. An dessen Ende befand sich eine zweite Tür und dahinter, ver m utete sie, Treppenhaus und Aufzug.
Die Tür ließ sich aufdrücken, und sie nahm an, dass sie da m it ein Signal an der Rezeption auslöste, das i h r Kom m en meldete. Eilig g i ng sie den Gang hinunter, ein wenig sicherer jetzt als zuvor, auch wenn das Gebäude sie bedrückte; sie verband keine guten Erinnerungen da m it, und eine Stimme flüsterte ihr zu, dass es schon bald noch sehr viel schlim m er kom m en würde.
Der Gitteraufzug war breit genug, um Liegen darin zu transp o rtieren, aber Chiara nahm die Treppe, in der vagen Befürchtung, m an könnte den Aufzug zwischen den Stockwerken stoppen und sie darin gefangen halten wie in einem Käfig.
In d e r Tür z u m ersten S t o c k, dem eigentlichen Eingang zur Klinik, wurde sie v on e i ner m üden Nachtschwester erwartet.
»Unsere Besuchszeiten sind von … Oh, Frau Mondschein. Geht es Ihnen nicht gut? Ihre B ehandlung war abgeschlossen, soweit ich …«
»Ich m öchte zu Elohim von Fürstenberg.«
Ein Anflug von Argwohn ersch i en i m Blick der Frau.
»Frau von F ürstenberg? Ich weiß nicht, ob Sie befugt sind …«
Chiara schob sie beiseite, m it derselben Bewegung m i t der sie erst kürzlich während der Dreharbeiten am Eingang zu ei n em Harem eine A u fseherin b ei s eite gescho b en hatte: Scheherezade hatte in d e m G e m ach ihre Schwester Dinazad ver m utet, eingesperrt vom Kalifen, weil er es nicht ertrug, dass die jü n gere Schwe s ter jede Nacht zusa h , wie er s i ch Scheherezade g e fügig m achte, bevor sie ihn m it einer ihrer Geschichten besänftigte.
Die Nacht s chwester pr otestierte, aber Chiara achtete nicht auf sie, trat h i nter die kleine Rezeption und suchte nach einer Liste m it N a m en, ei nem Verzeichnis der Zimmer, nach etwas, d as ihr h elfen würde, Elohim zu f i nden.
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