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Das zweite Imperium der Menschheit

Das zweite Imperium der Menschheit

Titel: Das zweite Imperium der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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vereinigte.
    Im letzten Licht des planetaren Abends, im Gewirr riesiger, kryptischer Schatten,
erblickten sie die große Sandfläche, mindestens dreißig Kilometer
im Durchmesser. Inmitten des Sandes standen ausgerichtete Baumalleen; nach einem
strengen geometrischen Muster, das sich aus der Höhe wie ineinander geschachtelte
Vierecke ausnahm, zwei große Gebäude – eines davon war an und
um einen Felsen gebaut, der grell im Abendlicht aufschimmerte. Alles schien
uralt zu sein; Äonen alt.
    »Wir landen unter diesem Felsen. Wo die Bäume aufhören –
Cassian, tue dein Bestes!«, rief Guy Aidon. Das Schiff bäumte sich
ein letztes Mal auf und schraubte sich senkrecht hoch. Dann schaltete Cassian
die Flüssigkeitsaggregate ein. Heulende Flammenbündel, vermischt mit
fettem Rauch, schlugen aus dem Heck. Die SEARCHER glitt wie ein Lift abwärts
und landete genau auf der bezeichneten Stelle.
    »Wir sind am Ziel«, stellte Cassian fest. Aidon bemühte sich,
seine Erregung nicht allzu deutlich werden zu lassen. Die lückenhaften
Informationen und die Wirklichkeit außerhalb des Schiffe waren annähernd
deckungsgleich. Das Lärmen des Antriebs verklang.
    »Also, Freunde«, sagte Flamsteed nachdenklich. Er saß vor seinen
Instrumenten und las die Skalen ab. »Ich habe festgestellt, dass die Luftverhältnisse
fast genau den terranischen entsprechen. Wir können unbesorgt und ungeschützt
ins Freie.«
    Aidon stellte sich in die Nähe des Schottes.
    »Ich bin dafür, dass wir den Morgen und eine ganz exakte Analyse abwarten.
Niemand weiß, was sich in der Dunkelheit verbirgt.«
    Dor Amakron nahm den Blick von den verschwimmenden Umrissen des gelben Felsens
unter dem Schiff.
    »Es sind wohl keine unmittelbaren Gefahren, aber ich bin deiner Meinung.
Sehen wir morgen weiter.«
    Widerstrebend gehorchten die anderen. Sie bevölkerten zunächst die
Kombüse, verschwanden später in ihren Kabinen und versuchten, zu schlafen.
     
    Axarnea, eine gelbe Kugel, verbarg sich zu drei Vierteln hinter einer schwarzen
Wolkenbank und senkte sich hinter den Horizont. Die letzten Strahlen schössen
wie Speere waagerecht über den Kontinent und berührten eine Bergkette
mit schneeweißen Gipfeln. Der gelbe Felsen neben dem Schiff war zu einem
eckigen Klotz bearbeitet worden, wobei man sich an die teilweise vorgegebene
natürliche Oberfläche gehalten hatte. An vier Seiten führten
breite Rampen bis zur Mitte. Sie endeten in schwarzen Höhlen, die durch
Tore verschlossen schienen. Breite Galerien liefen, von großen, glaslosen
Fensterlöchern unterbrochen, rings um den gelben Block. Auf der Oberfläche
wölbte sich blasig eine glasartige Halbkugel.
    Die Triebwerke des Schiffes waren abgeschaltet. Stille senkte sich über
die Gegend. Nichts war zu hören, als Cassian die Luftschleuse öffnete
und sich die dunkle Treppe hinuntertastete. Er stellte sich in die viereckige
Öffnung und sah hinaus auf den Sand. Er erschrak; blitzartig krümmte
er sich unter der Wucht der Erinnerung zusammen. Er dachte an die Momente des
Triumphs, als er in seiner sauberen Uniform vor Jahren neben seinen Kameraden
gestanden und ebenfalls auf den Boden neu entdeckter Planeten geblickt hatte.
Dann die Szene, in der er seinen Entlassungsbrief öffnete und das Schreiben
drei Mal langsam und in einer Art bewegungslosen Staunens las. Er erinnerte
sich, wie er mit seinem Schiffssack die Gangway hinuntergestolpert war, von
den mitleidigen Blicken der Kameraden verfolgt. Er starrte blind auf die Fläche,
die immer dunkler wurde. Seine Hand ballte sich zur Faust, ohne dass er es wusste.
Dann schlug er in verzweifelter Wut gegen das Metall des Schiffes und spürte
den Schmerz, der den Arm bis zum Ellenbogen durchfuhr. Er wandte sich ab und
stolperte wieder hinauf. Die Tür seiner Kabine fiel hinter ihm zu.
     
    Im Morgenlicht Axarneas offenbarte die Gegend ihren fremden, mythischen Eindruck
in seiner gesamten Tragweite. Es war einer der acht heiligen Haine, in dem sie
gelandet waren. Ein riesiger, weißer Kreis wie eine Sonne; eine Art Geoglyphe.
Die Straßen mündeten zwischen je zwei monumentalen Blöcken in
die Sandfläche. Die Straßen kamen aus jedem Teil des Planeten; sie
verließen den heiligen Hain wie Sonnenstrahlen. Der Sand war fast ohne
Bewuchs, an einigen Stellen hatten sich Vorläufer eines bis zur Katastrophe
sorgfältig zurückgedrängten Dschungels vorgeschoben –

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