Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
Öllampe erahnte Cædmon ein junges, von langen Schläfenlocken umrahmtes Gesicht mit einem kurzen Vollbart.
    »Was wünscht Ihr?«
    »Ist dies das Haus von Levi, dem Juden?«
    Der junge Mann nickte wortlos. Argwohn und Neugier rangen offenbar miteinander, boten einen beinah komischen Widerstreit auf seinem Gesicht.
    »Und hat nicht Levi einen Sohn, der kürzlich hergekommen ist, der ein Heiler ist?«
    »Ihr meint Malachias ben Levi, Thane.«
    »Ihr wißt, wer ich bin?« fragte er verblüfft.
    »So wie Ihr wißt, wer wir sind.«
    Cædmon nickte und rieb sich nervös das Kinn an der Schulter. »Es ist sehr spät, und sicher schläft das ganze Haus schon. Aber ich wäre sehr dankbar, wenn ich diesen Malachias ben Levi sprechen könnte.«
    Der junge Mann trat immer noch nicht von der Tür zurück und hatte sie nur ein Stückchen weiter geöffnet. Cædmon erkannte, daß er ein dunkles, weites Gewand trug, das fast bis zu den Schuhen herabreichte. Ein fremdartiger, aber nicht unangenehmer Geruch strömte aus dem Haus, nach Kerzenwachs und Kräutern aus fernen Ländern.
    »Was soll ich ihm sagen, worum es geht?«
    »Um eine Niederkunft. Eine der Damen der Königin, sie …«
    »Ja?«
    Cædmon atmete tief durch. »Könnt Ihr mich nicht einfach zu ihm führen? Sie verblutet, während wir hier stehen und reden.«
    Die Tür öffnete sich weit, eine knochige Hand legte sich leicht auf seinen Arm und zog ihn in einen unmöblierten Vorraum. »Wie weit ist die Schwangerschaft?«
    »Fünf Monate vielleicht.«
    »Dann wird das Kind nicht leben.«
    »Es ist schon tot.«
    »Und haben die Wehen eingesetzt?«
    »Ja.«
    »Wann?«
    »Ich weiß es nicht. Ich fand sie heute nachmittag, und sie litt Schmerzen und hatte schon viel Blut verloren. Wenn Ihr Malachias ben Levi seid, dann bitte ich Euch, kommt mit mir und helft ihr, um der Liebe Christi willen … ähm, Entschuldigung, ich meinte …« Er hatte keine Ahnung, was er meinte.
    Der Argwohn war aus den dunklen Augen gewichen, und für einen Moment schimmerte ein Lächeln darin, doch es verschwand sofort wieder. Der junge Arzt neigte ein klein wenig den Kopf und fragte: »Ist sie Eure Frau?«
    Cædmon schüttelte den Kopf. »Die meines Freundes, der derzeit auf dem Kontinent ist. Ihr Bruder ist ebenfalls fort, darum blieb nur ich, um Euch zu holen.«
    Malachias verschränkte die Hände, legte die Daumen unters Kinn und dachte nach. Er schien unentschlossen. Schließlich sagte er leise: »Ich würde gerne versuchen, der Frau Eures Freundes zu helfen, aber ich fürchte, ich kann nicht.«
    Cædmon starrte ihn entsetzt an. »Warum nicht?«
    »Euer König hat uns in dieses Land geholt, weil er unser Geld will, aber Euch ist sicher nicht entgangen, daß wir weder Normannen noch Angelsachsen besonders willkommen sind. Mein Vater ist dabei, in dieser Stadt eine Handelsniederlassung aufzubauen, und viele Normannen schulden ihm Geld. Vielleicht gehört der Mann dieser Frau auch dazu? Und wenn sie nun stürbe, würde man nicht mir die Schuld geben? Denkt Ihr nicht, es wäre vielen ein willkommener Anlaß, uns mitsamtden Schuldscheinen davonzujagen? Es tut mir leid, Thane. Das Mißtrauen hier ist zu groß. Ich muß zuerst an das Wohl meiner Familie denken.«
    »Ja, ich verstehe Eure Bedenken. Aber ohne Eure Hilfe stirbt sie auf jeden Fall. Meine Mutter, die auch heilkundig ist, hat es gesagt, und das würde ich vor jedem bezeugen, der Euch einen Vorwurf machen will.« »Die Frage ist nur, ob irgendwer innehalten würde, um Euch anzuhören. Ich müßte mich mit meinem Vater beraten …«
    »Dazu bleibt keine Zeit. Vertraut mir, Malachias ben Levi, ich bitte Euch. Und seht es einmal von der anderen Seite: Der Mann dieser Frau ist der Sohn des engsten Vertrauten des Königs. Seine Familie ist sehr einflußreich. Sollte es Euch gelingen, seine Frau zu retten, werdet Ihr und Euer Volk einen sehr mächtigen Verbündeten in diesem Land haben. Er ist ein guter Mann, glaubt mir, er vergißt niemals, wer ihm einen Dienst erwiesen hat.«
    Malachias nickte. »Auf jeden Fall ist er ein glücklicher Mann, daß er einen Freund wie Euch hat. Laßt uns gehen. Gott, mein Vater wird mir den Kopf abreißen …«
     
    Als Marie die Tür öffnete und sah, wen Cædmon mitgebracht hatte, legte sie die Hände auf die Pfosten. »Nein.«
    »Mutter …«
    »Wie kannst du es wagen, einen von ihnen hierherzubringen, Cædmon? Hast du ihr noch nicht genug angetan? Reicht es nicht, daß sie deinetwegen in Sünde stirbt? Sollen

Weitere Kostenlose Bücher