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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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England bis hierher?« erkundigte einer der Soldaten sich unsicher.
    »Oh, weit!« Oswald machte eine vielsagende, ausholende Geste. »Ich weiß es nicht mit Bestimmtheit, aber ich möchte annehmen, England liegt näher am Reich der Russen als dem der ruhmreichen Normannen.« Die Soldaten waren tief beeindruckt. »Wie lange wart ihr denn unterwegs?« wollte der andere wissen.
    Oswald runzelte die Stirn. »Schwer zu sagen. Cædmon, wie lange waren wir unterwegs?«
    Cædmon trat neben ihn und schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß es wirklich nicht, Bruder Oswald. Ich konnte all die Tage nicht zählen. Ich weiß, wir hatten einen jungen Falken an Bord, als wir aufbrachen, der an Altersschwäche starb, ehe wir ankamen.«
    Oswald starrte ihn einen Moment in vollkommener Verblüffung an, dann leuchteten seine Augen auf. »Ihr habt ihn gehört. Cædmon war noch ein Knabe, als wir von zu Hause lossegelten, lag praktisch noch in den Windeln, und jetzt schaut ihn euch an.«
    »Cædmon«, fiel Harold schneidend ein. »Ich verlange zu wissen, was ihr da redet.«
    »Wir versuchen nur, diese wackeren Männer zu überzeugen, daß wir ein Abendessen verdient haben«, antwortete Oswald glattzüngig.
    Harold brummte mißtrauisch.
    Die beiden Wachen tauschten ratlose Blicke. Dann nickte der, der Cædmon am Strand aufgelesen hatte. »Na schön. Ich werd’ sehen, was sich machen läßt.«
    Cædmon wartete, bis sie hinausgegangen waren, dann bestürmte er Bruder Oswald: »Wo wart Ihr? Ich dachte, Ihr wäret ertrunken!«
    »Das dachte ich auch. Aber ich hatte mehr Glück als Bruder Egbert und die anderen.« Er unterbrach sich, machte ein Kreuzzeichen und schloß die Augen zu einem kurzen Gebet für seine ertrunkenen Mitbrüder. Dann seufzte er. »Sie waren alt, weißt du. Sie haben es nicht geschafft. Als du und ich über Bord gingen, habe ich versucht, dich zu finden, aber das Wasser tobte so furchtbar, es war aussichtslos. Dann kam eine breite Planke an mir vorbei. Ich hab mich daraufgelegt und bin gepaddelt. Vermutlich war ich deswegen eher an Land als alle anderen. Vom Strand aus habe ich mich sofort auf den Weg landeinwärts gemacht, weil ich hoffte, ein Fischerdorf zu finden, wo ich Hilfe für die anderen holen könnte. Statt dessen traf ich auf diese Raufbolde. Sie hörten mich an, dann schickte ihr Anführer mich mit zweien seiner Männer hierher und ritt mit den restlichen weiter zur Küste. Man sperrte mich hier ein. Seither habe ich hier gesessen und gebetet, daß wenigstens du am Leben bleibst, und dabei bin ich langsam getrocknet.« Cædmon lächelte schüchtern. »Danke, daß Ihr ein gutes Wort für mich eingelegt habt.«
    Oswald nickte zufrieden. »Und ausnahmsweise hat Gott sogar auf mich gehört.«
    Sie bekamen einen Laib Brot und einen Krug mit einem merkwürdigen Gebräu. Kein Bier, sondern ein helleres, leicht sprudelndes Getränk, das eigentümlich säuerlich auf der Zunge prickelte und nach Äpfeln schmeckte.
    Agilbert, einer von Harolds Housecarls, der den Krug vorkostete, spuckte angewidert ins Stroh. »Ich weiß nicht, ob es Gift ist, jedenfalls schmeckt es eklig.«
    Oswald nahm ihm das hölzerne Gefäß eilig ab, als er Anstalten machte, den Inhalt ins Stroh zu kippen. »Warte …« Er schnüffelte daran, dann lachte er leise. »Das ist kein Gift, Agilbert, du Ochse. Das ist Cidre. Alle Leute trinken es hier, so wie man bei uns Bier oder Met trinkt.« Er kostete einen kleinen Schluck und schloß genießerisch die Augen. »Hm. Wunderbar.«
    Alle sahen ihn gespannt an und warteten, vielleicht zehn Atemzüge lang. Dann brachte Oswald den Krug zu Harold und reichte ihn ihm mit einer Verbeugung. »Seht Ihr, Mylord. Kein Gift.«
    Harold trank einen kleinen Schluck. Seine Miene zeigte weder Unmutnoch Wohlgefallen, er schien überhaupt nicht wahrzunehmen, was er da trank. Er reichte den Cidre dem Mann zu seiner Linken. »Hier. Jeder nur einen kleinen Schluck, alle müssen etwas bekommen. Das gilt auch für das Brot. Gib es mir, Agilbert.«
    »Soll ich nicht vielleicht lieber …«
    Harold winkte ungeduldig ab. »Guy wird uns nicht vergiften. Er will uns ja an William verscherbeln, also braucht er uns gesund und lebendig.«
    Der Housecarl nickte beruhigt und reichte ihm den Laib.
    Harold wischte sich die Hände an der Kleidung sauber. »Wie viele sind wir?«
    »Vierzehn«, antworteten Cædmon und Oswald wie aus einem Munde. Harold brach das Brot in zwei Hälften und jede Hälfte in sieben Teile. Es wurden jämmerlich

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