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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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drückte sie sanft, als er seinen Bruder fragte: »Und es ist dein Ernst? Du würdest uns trauen?« Guthric sah ihm in die Augen. »Ja.«
    Ehe Cædmon etwas entgegnen konnte, fragte Aliesa leise: »Seid Ihr auch sicher, daß Ihr die ganze Geschichte kennt, Guthric?«
    »Vielleicht werdet Ihr sie mir erzählen, Schwägerin? Vorher oder nachher, das ist mir gleich. Wenn ihr wollt, können wir nach dem Essen zur Kirche gehen und die Angelegenheit erledigen.«
    Aliesa erwiderte seinen Blick. Hoffnung leuchtete in ihren Augen. Sie wußte so gut wie Cædmon, daß ihre Zukunft davon abhängen konnte, wer ihrer Verbindung den kirchlichen Segen verlieh. Aber ihr Gewissen, ihre Auffassung von Anstand zwang sie, Guthric zu warnen: »Der Bischof hat schon recht. Der König wird vielleicht nicht wohlgefällig auf den Priester blicken, der Cædmon und mich traut.«
    Guthric verschränkte die Arme und grinste. »Ach, wirklich? Nun, ich muß Euch gestehen, das ist mir völlig gleich. Ich schulde nicht dem König Rechenschaft, sondern dem Erzbischof von Canterbury, dem Papst, der Kirche und Gott.«
     
    Odo reiste am nächsten Morgen ab. Er hatte eine ganze Woche in Helmsby verbracht und erklärte, daß seine Pflichten eine längere Abwesenheit nicht erlaubten. Das entsprach vermutlich der Wahrheit, aber Cædmon hatte den Verdacht, daß der Bischof nicht einmal in der Nähe sein wollte, wenn diese Ehe geschlossen wurde. Doch da er als hoher Gast das Zimmer des Hausherrn bewohnt hatte, kam Cædmon die überstürzte Abreise nicht ungelegen. Er selbst hatte in Guthrics Kammer genächtigt, Aliesa bei Hyld, aber er hatte sich geschworen, daß es die letzte Nacht sein sollte, die er unter seinem eigenen Dach von seiner Frau getrennt verbrachte.
    Nachdem sie den Bischof verabschiedet hatten, begab die Familie sich ins Dorf zu der kleinen, inzwischen sehr windschiefen Kirche von St. Wulfstan. Als sie an der Baustelle des neuen Gotteshauses vorbeikamen, blieb Cædmon wie angewurzelt stehen und starrte daran hinauf.
    »Mein Gott … sie ist fast fertig.«
    »Ich habe daran weiterbauen lassen, wann immer wir Geld hatten«, erklärte Alfred. »Die Pläne waren ja vollständig.«
    »Sie wäre längst geweiht«, fügte Guthric hinzu. »Aber Alfred und ich waren uns einig, daß wir auf deine Rückkehr warten wollten. Der Bischof von Elmham war hier und hat sie sich angeschaut. Er war tief beeindruckt.«
    Cædmon nickte zufrieden. »Das will ich hoffen. Und jetzt laß uns tun, wozu wir hergekommen sind, ehe das ganze Dorf sich einfindet.«
    Cædmon und Aliesa waren sich einig darüber, daß sie so wenig Aufsehen wie möglich wollten. Sie beide wünschten sich Gottes Segen für den Bund, den sie längst geschlossen und besiegelt hatten, aber sie wollten keine großen Feierlichkeiten. Aufgrund des Trauerfalls wäre ein Festessen ohnehin unschicklich gewesen, und Cædmon hatte in Aussicht gestellt, daß er seinen Haushalt und seine Pächter zu Mittsommer für das versäumte Festmahl entschädigen werde.
    Also standen sie nun nur von Cædmons Familie umringt an der schmucklosen Tür der kleinen Holzkirche, wo Guthric sie nacheinander fragte, ob sie den Bund der Ehe schließen wollten. Auf sein Geheiß zog Cædmon mit einem glücklichen kleinen Lächeln den Ring hervor, den er am Abend zuvor mit Hylds Hilfe in der Truhe seiner Mutter gefunden hatte. Es war ein durchbrochener Goldreif, unglaublich fein ziseliert und mit Intarsien aus Perlmutt und Lapislazuli versehen. Ein kostbarer Ring, den, so wußte Cædmon inzwischen, die Mutter des Königs Marie de Falaise zum Dank für ihre Treue und Freundschaft geschenkt hatte, ehe ihre Wege sich trennten.
    Aliesa hob den Blick und sah in seine lächelnden Augen, während er ihre Linke ergriff und ihr den Ring ansteckte.
    Guthric legte ihre Hände ineinander und sprach ein paar Worte auf Latein. Niemand verstand ihn, aber es klang sehr feierlich. Dann sagte er: »Du darfst deine Braut küssen, Cædmon, mit dem gebotenen Anstand.«
    Die anderen lachten leise, und Cædmon drückte seine Lippen sacht aufAliesas Mund, während sie einander mit geradezu gierigen Blicken verschlangen.
    Guthric gab vor, es nicht zu bemerken, führte das Brautpaar und die kleine Gesellschaft in die Kirche und feierte die Messe.
     
    Die vielen Veränderungen, die teilweise lang erwartet und teilweise überraschend eingetreten waren, versetzten den sonst eher beschaulichen Haushalt in Unruhe, und hier und da wurde besorgt darüber

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