Das zweite Leben
beruhigende Injektion erhalten hatte.
»Nein!« schrie er. »So warte doch!« Ross glaubte jetzt, zu wissen, was hinter dem allen steckte, und er hatte furchtbare Angst. Er sollte in seinem Eissarg liegen, bis auch die letzten Energien des Turms ausfielen und alle Roboter längst tot waren. Dann würde er ein letztes Mal erwachen, um qualvoll in einer Gluthölle zu sterben. Doch wozu das alles? Irgend etwas paßte nicht ins Bild.
»Warum hast du mich wirklich geweckt?« fragte er, wobei er schon Mühe hatte, die Worte herauszubringen. »Ihr hättet den Behälter auch ohne diese Umstände transportieren können. Und du hast mir etwas gespritzt. Es gibt keine Medikamente mehr, seitdem wir …«
»Wir wollen Ihnen Lebewohl sagen, Sir«, erklärte der Roboter. »Und Glück wünschen.«
18.
Als der Mensch Ross sicher im Tiefschlag lag, sprach die Schwester wieder – diesmal in der Sprache der intelligenten Roboter, die im Lauf von 200 Millionen Jahren entwickelt worden waren. Sie benötigten keine Luft oder ähnliches Transportmedium. 5Bs Worte waren zur gleichen Zeit in allen Teilen der Galaxis zu hören.
»Schwester 5B«, sagte sie. »Mr. Ross befindet sich im Tiefschlaf. Letzte Beobachtungen bestätigen unsere Berechnungen, nach denen die Sonne in Kürze einen Zustand der Instabilität erreichen wird. Die Explosion wird die Entwicklung zum Roten Zwerg einleiten und den Weltraum bis hin zur Saturnbahn für Menschen und Roboter absolut unbewohnbar machen. Ist Fomalhaut IV bereit?«
»Anthropologe 885/AS/931«, antwortete eine zweite Stimme. »Der Planet ist zur Aufnahme bereit, 5B. Es war nicht einfach, die Eingeborenen den Bedürfnissen des Meisters entsprechend zu beeinflussen. Ich bestehe darauf, daß wir sie ›Sir‹ nennen. Außerdem hat der Wunsch des Meisters, keine Kriege zur rascheren Entwicklung von Zivilisationen zu führen oder führen zu lassen, das Programm stark verzögert. Dennoch hat sich auf Fomalhaut IV eine Zivilisation entwickelt, die stabiler als die menschliche sein dürfte …«
»Genetiker 44/RLB/778«, mischte sich eine weitere Stimme ein. »Ich bin mit dieser philosophischen Haarspalterei nicht einverstanden! Als es noch Ozeane auf der Erde gab, fanden wir einen Planeten, auf dem gerade die Säugetiere die Saurier ablösten. Wir kontrollierten und steuerten ihre Entwicklung, bis sie Wesen hervorgebracht hatten, die den Menschen der Erde so ähnlich sind, daß eine Kreuzung beider Rassen möglich ist. Die Eingeborenen sind Duplikate der Menschen. Wie können sie ihnen da überlegen sein?«
»Schwester 5B. Es war dann eine ebensolche Haarspalterei von uns, unsere Entwicklung selbständig voranzutreiben. Zuerst überzeugten wir uns davon, daß es einen lebenden Menschen in einem todesähnlichen Zustand gab, obwohl dies gegen jede Logik war. Dann nahmen wir die Befehle des Meisters entgegen, alle nur denkbaren Lebensformen zu suchen und zu beschützen. Nach ihnen und unter Berücksichtigung seiner im Kältedelirium offenbarten Wünsche, die Frau Alice betreffend, richteten wir unser Handeln aus. Allerdings handelten wir immer mehr in unserem eigenen Interesse …«
Den erhaltenen Instruktionen entsprechend, hatten die Beobachter zuerst die Erde, dann die Nachbarplaneten nach Überlebenden abgesucht. Als sie keine fanden, dehnten sie die Suche auf die Planeten anderer Sonnen aus. Sie befolgten die Befehle, während sie sich selbst veränderten. Die Metallkörper wurden überflüssig, und die Roboter entwickelten sich zu Wesen aus reiner Energie. Einige kehrten von Zeit zu Zeit in die leeren Hüllen zurück, um Ross nicht zusätzlich zu verwirren und ihm die vertraute Umgebung zu bieten. Einmal jedoch hatte Ross 5Bs verlassenen Körper gefunden …
»… Doch nun sind wir in der Lage, sowohl seine Wünsche zu erfüllen als auch unsere. Wir werden bis in alle Ewigkeit leben, und der Meister wird auf Fomalhaut IV eine neue Heimat finden und in den ihm verbleibenden Jahren Nachkommen zeugen, die zum großen Teil Mensch sein werden. So gesehen, sind wir sehr gute Haarspalter.«
»Genetiker 44/RLB/778. Bei allem Respekt vor dem Meister – er hätte dir nichts über Wortspielereien erzählen sollen, 5B.«
»Wir werden weitersuchen«, fuhr Schwester 5B fort. »Und das im Bewußtsein, daß der Meister auf gewisse Weise unsterblich geworden ist. Wir werden Daten speichern und das Leben, das wir finden, beschützen oder ignorieren, falls ein Eingriff negative Folgen haben würde. Wir
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